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Karlsruhe soll Awacs-Flugbefehl geben

■ Bundesverfassungsgericht soll Kampfeinsatz außerhalb des Nato-Gebietes absegnen

Bonn (taz) – Wenn Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) heute in Washington dem US-Präsidenten die deutsche Haltung zu den Awacs-Flügen über Bosnien erläutert, wird Bill Clinton etwas zu lachen haben. Was CDU/CSU und FDP am Mittwoch abend als Kompromiß im Awacs- Streit beschlossen hatten, werde internationales Hohngelächter auslösen, prophezeite der SPD-Außenpolitiker Karsten Voigt schon gestern. Die FDP-Fraktion, so hatten es die Regierungsparteien verabredet, wird die Bundesregierung verklagen, damit das Bundesverfassungsgericht den zwischen CDU/CSU und FDP schwelenden Streit entscheiden muß, ob die deutsche Verfassung heute schon deutsche Kampfeinsätze außerhalb der Nato- Pflichten erlaubt.

Die „beispiellose politische Groteske“ (Voigt) soll folgendermaßen funktionieren: Sobald der Weltsicherheitsrat eine militärische Durchsetzung des Flugverbotes über Bosnien verfügt, wird in Bonn die Bundesregierung zusammentreten und gegen die Stimmen der vier FDP-Minister beschließen, daß die deutschen Soldaten an Bord der Awacs-Aufklärungsflugzeuge der Nato an dem Kampfeinsatz teilnehmen. Die FDP-Fraktion wird gleich darauf in Karlsruhe eine einstweilige Anordnung beantragen und Organklage gegen die Bundesregierung einreichen.

Außenminister Klaus Kinkel (FDP) rechtfertigte diesen Beschluß, der am Mittwoch abend auch von den Regierungsfraktionen gebilligt wurde, mit der „ausweglosen Lage“. Die CDU/CSU habe auf eine deutsche Beteiligung an den Awacs-Flügen gedrängt, die FDP halte weiterhin zunächst eine Verfassungsänderung für nötig. Da die SPD eine Grundgesetzänderung, die über den Einsatz von Blauhelmen hinausgeht, ablehnt, sei der Koalition keine Alternative geblieben. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Werner Hoyer ergänzte, die Freidemokraten hätten an diesem Punkt nicht „die Koalition platzen lassen wollen“.

Einige Punkte des Koalitionskompromisses blieben auch gestern zwischen den Regierungsparteien strittig. CDU/CSU- Fraktionschef Wolfgang Schäuble sagte, die deutschen Soldaten könnten an Bord der Awacs-Maschinen bleiben, bis Karlsruhe über den Antrag auf einstweilige Anordnung entschieden habe. Kinkel betonte dagegen, eine deutsche Beteiligung komme vor der Gerichtsentscheidung nicht in Frage. Auch innerhalb der FDP gab es unterschiedliche Interpretationen. Sollte Karlsruhe eine Entscheidung im Eilverfahren ablehnen, „haben wir entschieden, daß die Soldaten drinbleiben“, sagte Kinkel. Hoyer dagegen wollte in diesem Fall neu entscheiden.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Roman Herzog, äußerte „ein gewisses Verständnis“ für die Nöte der Bonner Regierung. Besser als eine Gerichtsentscheidung wäre aber eine Verfassungsänderung, sagte Herzog der Nachrichtenagentur afp. Die SPD, die für den Fall einer deutschen Beteiligung an den Awacs- Flügen ebenfalls eine einstweilige Anordnung beantragen will, nannte den Beschluß „geradezu lächerlich“. Unterdessen wird immer unsicherer, ob der Weltsicherheitsrat in absehbarer Zeit überhaupt eine Entscheidung über die Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien fällt. Der deutsche UN-Botschafter hält dies unter Verweis auf Rußland für wenig wahrscheinlich. hmt Seite 4

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