: Gier nach Daten
■ Datenschutzbeauftragter warnt vor Zugriff der Behörden / Generelle Stasi-Überprüfung in Ost-Ämtern rechtswidrig
Berlin. Ob die Berliner Polizei Frauen samt diskriminierenden Fotos in einer Prostituiertenkartei speichert oder beim Landesamt für die Regelung offener Vermögensfragen (LAROV) freizügig Daten über Alteigentümer herausgegeben werden – über mangelnde Beschäftigung konnten sich Berlins Datenschützer im vergangenen Jahr nicht beklagen. Das weite Feld ihrer Zuständigkeit machte gestern Berlins oberster Datenschützer Hansjürgen Garstka bei der Präsentation des Jahresberichts 1992 deutlich. Selbst neue Computerspiele wie der Cyberspace, mit dem Menschen in eine dreidimensionale Schweinwelt eintauchen, geraten ins Visier der Fachleute. Schließlich, so Garstka, müsse sich der Datenschutz auch vorsorglich mit solchen technischen Neuerungen befassen, die eine mögliche Gefahr für die menschliche Psyche darstellen.
Weniger Zukunfstszenarien als vielmehr profaner Alltag stehen jedoch nach wie vor auf dem Tagesprogramm der Berliner Datenschützer. Drei Jahre nach der Wiedervereinigung sind vor allem die Datenbestände der ehemaligen DDR ein sensibles Thema. So machte Garstka deutlich, daß die von mehreren Ostberliner Bezirksämtern vorgesehene generelle Überprüfung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes auf eine Stasi-Mitarbeit „rechtswidrig“ ist. Treptow, wo jüngst eine solche Vorgehensweise beschlossen worden war, mußte Berlins Datenschützer bereits anmahnen. Zulässig sei nur die Überprüfung bestimmter Berufsgruppen, etwa Lehrer, Richter oder Inhaber herausgehobener Positionen. Obwohl Garstka die Bereitwilligkeit der Berliner Politik lobte, Datenschutz ernst zu nehmen, illustriert gerade Treptow die Hilflosigkeit, dem Mißbrauch zu begegnen: Trotz Einspruchs setzt der Bezirk seinen Mißbrauch fort.
Nach wie vor ist der Umgang mit alten DDR-Beständen ein heißes Eisen. Nicht nur, daß weiterhin ein Landesgesetz für Anfragen bei der Gauck-Behörde fehlt. Auch die beabsichtigte Verwendung der DDR-Personenkennzahl (PKZ) durch die Innenbehörden der Länder stößt auf Garstkas Kritik. Zwar ist die PKZ, in der Name, Vorname, Geburtsort und letzte Wohnadresse aller DDR-Bürger kodiert wurden, seit Ende letzten Jahres nicht mehr zugänglich, das dazugehörige Zentrale Einwohnerregister (ZER) der DDR mittlerweile geschlossen.
Doch sowohl die Gauck-Behörde als auch die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) bedrängen seit geraumer Zeit die Innenminister, ihnen aufbereitete Daten aus dem ZER-Meldebestand zu überlassen. Ohne „ausdrückliche gesetzliche Grundlagen“, so mahnte Garstka, düften solche Angaben jedoch nicht herausgegeben werden. Darauf mußte Datenschützer Garstka selbst die Berliner Innenverwaltung aufmerksam machen, die Datensätze an die Gauck-Behörde weitergeben wollte.
Mit Sorge beobachten die Datenschützer auch Überlegungen, im Rahmen des Solidarpaktes dem Mißbrauch von Sozialleistungen durch Datenaustausch unterschiedlicher Behörden zu begegnen. Garstka warnte davor, darin ein „Allheilmittel für alle Probleme“ zu sehen. Severin Weiland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen