■ Bücher. klein: Geheime Gaukler
Nach drei Jahren Stasi-Recherchen, in deren Gefolge auch die bundesdeutschen Geheimdienste oft zu unverdienten Ehren kamen, kommt jetzt die längst überfällige Entmystifizierung. Hans Halter, von Beruf schreibender Mediziner und beim Spiegel für eben diese Themen zuständig, präsentiert in dem Buch „Krieg der Gaukler“ die Ergebnisse seiner privaten Sammelleidenschaft. Daten, Fakten vor allem aber Anekdoten und Peinlichkeiten der deutschen Geheimdienstheroen, angefangen vom mystery-man Reinhold Gehlen, bis zu Markus Wolf, der heute einträglich mit seinen früheren Gegnern auf der Couch plaudert. Einem dieser Gespräche beispielsweise verdankte einer der umtriebigsten westdeutschen Geheimdienstler, Heribert Hellenbroich, Jahre nach seiner Zwangspensionierung 1985 noch einmal einen großen Auftritt. Ein Abgeordneter des Bundestages, so Hellenbroich, früher auch mal Minister, sei Stasi-Agent gewesen. Hellenbroich machte Furore, wollte natürlich keine Namen nennen und wurde zu einer Vernehmung beim Generalbundesanwalt geladen. Von Stahl überlieferte dann später der Öffentlichkeit, wie es unter Geheimdienstlern so zugeht. Wolf hätte, so Hellenbroich, bei dem Gespräch unter früheren Gegnern, durch eindeutige Reaktionen auf Hellenbroichs Fragen zu erkennen gegeben, daß Hellenbroich mit einer bestimmten personellen Vermutung richtig läge. Die Reaktionen: Wolf habe gelacht, mit den Schultern gezuckt und Heribert einvernehmlich in die Augen geschaut. Das war die Basis der Hellenbroich-Story.
Dieser Mann war immerhin jahrelang Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und — für vier Wochen — auch Chef des BND. Zu Fall kam er durch den prominentesten Abgang, den der Verfassungsschutz je hatte: Hansjoachim Tiedge, Chef der Spoinageabwehr war selber einer — und zwar von Markus Wolf. Als Tiedge in den Osten rübermachte, mußte Hellenbroich gehen. Am Gespann Hellenbroich- Tiedge, die gemeinsam beim Verfassungsschutz Karriere gemacht hatten, zeigt sich in schöner Offenheit, wes Geistes Kind die Dienste sind. „Tiedge aß für zwei, trank für drei, prügelte hin und wieder seine Frau und galt bei Wirten und Nachbarn als Sicherheitsrisiko.“
Halters Sittengemälde der Geheimdienste, mit ätzender Ironie geschrieben, ist eine wohltuende Ausnahme auf dem Sektor der Enthüllungsliteratur. Die Fassung verliert der Autor aber immer dann, wenn es um Geheimdienstler als Beamte geht. Sesselfurzer, die den Staat schützen, weil der ihr Gehalt sichert, ist noch das mildeste, was Halter dazu einfällt. Deshalb würde er sie auch am liebsten, wenn man sie schon nicht abschaffen kann, wenigstens aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Jürgen Gottschlich
Hans Halter: „Krieg der Gaukler“, Steidl Verlag, 1993, 24 DM
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