: Muslime unterschreiben Friedensplan
■ Karadžić in New York isoliert / Österreichs Außenminister Mock für UN-Protektorat in Bosnien / Gefechte auf bosnischer Seite der Sava greifen auf Kroatien über / Morrillon in Belgrad
Wien/New York (taz) – Unerwartet unterschrieb der bosnische Staatspräsident Alija Izetbegović am Donnerstag den von UNO und EG ausgehandelten Friedensplan für Bosnien-Herzegowina. Der Vance-Owen-Plan sieht die Aufteilung Bosniens in zehn relativ autonome Provinzen vor.
Die für die bosnischen Muslime aussichtslose militärische Situation hatte für Izetbegović den Ausschlag gegeben, seinen Widerstand gegen eine Teilung seiner Republik in zehn national mehr oder minder homogene Provinzen aufzugeben. Obwohl die Muslime vor dem Krieg 44 Prozent der Bevölkerung in Bosnien stellten, kontrollieren ihre Verbände mittlerweile kaum mehr als zehn Prozent des bosnischen Territoriums.
Auch der formelle Verbündete Kroatien läßt die Muslime im Stich. Seit den ersten Auseinandersetzungen zwischen bosnischer Armee und "Kroatischem Verteidigungsrat“ (HVO) im Herbst 1992 vergeht kaum ein Tag, an dem nicht kroatische Verbände Scharmützel gegen von ihnen als "islamische Fundamentalisten“ bezeichnete Moslem-Milizen anzetteln. Der Präsident der international nicht anerkannten „Republik Herzeg-Bosna“, der Kroate Mate Boban, hatte dem UN-Friedensplan schon vor Monaten zugestimmt.
Nur der selbsternannte Präsident der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, verweigert weiterhin die Unterschrift unter den Vance- Owen-Plan. Verbände der bosnischen Serben kontrollieren zur Zeit gute 70 Prozent Bosniens. Nach dem UN-Teilungsplan würden ihnen aber nur 40 Prozent bleiben.
Aus Diplomatenkreisen in New York verlautete, hinter den Kulissen gäbe es eine Abspache zwischen Russen und Amerikanern, Karadžić zu einem späteren Zeitpunkt durch gemeinsamen Druck zur Unterschrift zu zwingen. Der amerikanische Präsident Bill Clinton kündigte an, sich für die Aufhebung des Waffenembargos gegen die Muslimanen stark zu machen, falls Karadžić den Friedensplan nicht bald unterzeichne. Dieser zeigte sich gegenüber der Drohung aus Washington allerdings gleichgültig: die Serben seien schon aufgrund ihrer Geschichte Druck gewohnt.
Der österreichische Außenminister Alois Mock sprach am Mittwoch abend von „amerikanischen Planspielen zu einem militärischen Protektorat“ für Bosnien. Im ORF-Nachrichtenmagazin „Zeit im Bild“ sagte Mock weiter, in Washington werde überlegt, mit mindestens 50.000 Mann Bodentruppen eine „überparteiliche Verwaltung“ unter Leitung der UNO in Sarajevo einzusetzen. Die USA schließen offenbar mittlerweile aus, daß nach einem formellen Friedensvertrag eine bosnische Drei-Nationen-Regierung einen wirklichen Wiederaufbau des zerrütteten Staates aufnehmen könnte. Die Gefechte zwischen muslimischen und serbischen Verbänden im Norden Bosniens haben am Donnerstag morgen auf Kroatien übergegriffen. Wie der bosnische Rundfunk berichtete, waren starke serbische Verbände auf den moslemisch-kroatischen Brückenkopf bei Orašje vorgerückt und hatten dabei kroatisches Gebiet verletzt. Laut dpa lösten die kroatischen Behörden für das gesamte Gebiet Alarm aus.
In Belgrad setzte sich der UN- Kommandeur für Bosnien-Herzegowina, Phillipe Morrillon, für eine Rettung der rund 60.000 in der seit Monaten belagerten Stadt Sebrenica ein. Durch die Vermittlung des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević traf der französische General den Oberkommandierenden der bosnsichen Serben, General Ratko Mladić. Karl Gersuny/rr
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