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SanssouciNachschlag

■ Wolfgang Koglers Saxy Horror Show im Club Jojo

Manche Namensgebung entpuppt sich bei näherem Hinhören als Eigentor ihres Schöpfers. Die „Experimente für 9-12 Saxophone“, die am Freitag abend als „Saxy Horror Show“ in der Jazzreihe des Club Jojo über die Bühne gingen, wurden zu einem Schrecken, der weit weniger grell-gruselig war, als der Programmtitel versprach. Die Erfahrung, daß alles Nebensächliche, die Posen, die Accessoires, die Bequemlichkeit des Stuhls, immer dann in den Vordergrund rücken, wenn uns die Musik kalt läßt, bestätigte sich dabei aufs heftigste.

Acht ordentlich frisierte junge Männer und zwei Frauen mit Saxophonen, eine Sängerin und ein Dirigent. Die Mitwirkenden alle ganz in Schwarz – eine dunkelblaue Hose mag auch dabeigewesen sein, trübte jedoch das optische wie musikalische Ton-in- Ton-Design des Abends nicht. Dabei verhießen die ersten Minuten der Eingangskomposition durchaus noch einen akzentuierten, von Dynamik geprägten musikalischen Aufschwung. Begleitet von einer nächtlichen Regenidylle auf Super 8, entwickelte sich der Live-Soundtrack allerdings schnell zur zu Tode arrangierten Saxophon-Tonspur. Allein der hinter einer Säule sitzende Herr im Anzug, zuständig für Samplerkunststückchen, Bandeinspielungen und das einzige unechte Saxophon, ein Digital-Horn, verfolgte gespannt das Bühnengeschehen; das Publikum hingegen war mit aufregenderen sinnlichen Eindrücken beschäftigt, zahlreiche kleine Gespräche legten eine zusätzliche Ebene über die Komposition. Der Mythos Saxophon, an diesem Abend in Texten und Hommagen kräftig beschworen, war klischeehaft und farblos. Was da als „saxuell befreit“ gefeiert wurde, blieb jederzeit salonfähig, hatte keinerlei Swing, und selbst die Acid-Jazz-Einspielungen vom Band forderten die SaxophonistInnen nicht zu einer stürmischeren, weniger an einzelnen Noten orientierten Spielweise heraus. Rosaroter Panther und Koyaanisqatsi erstickten im Zitat, der wunderbare Song „Fever“ blieb temperaturlos, ein Oscar-Pastior-Text wurde zum mehrstimmigen Rap, bevor er, in eine Komposition hinein verarbeitet, völlig das Gesicht verlor.

Selbst die teilweise witzige Verarbeitung Mozartscher Musikbruchstücke verlor ob der kunstvollen Ernsthaftigkeit der Darbietung. Die kleine Nachtmusik schwebte durch den Raum, als plötzlich mit Anna Clementi die Oper auf den Plan trat und die Sängerin und Schauspielerin sich mit Vogelhändler Hermann Prey ein Duett lieferte. Auch Anna Clementi brach nie aus, blieb trotz der Möglichkeiten ihrer Stimme und einer nicht zu leugnenden Ausdrucksstärke eine leblose Puppe, selbst ihr Schreien war designed und kunstvoll. Der ihr an die Stimmbandseite gestellte Saxophonist und Moderator versuchte sich dagegen als Louis- Armstrong-Verschnitt, brummte kehlig einen italienischen (oder lateinischen?) Text ins Mikrophon und zementierte damit den Gesamteindruck des Abends: brave kammermusikalische Ausflüge einiger StudentInnen der Hochschule für Musik, die uns beobachten ließen, ob sie das hohe C schaffen oder bereits beim Fis hängenbleiben. Anna-Bianca Krause

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