Lateinamerikas Wirtschaft hat sich erholt

■ Morgen beginnt in Hamburg die 34. Jahrestagung der Interamerikanischen Entwicklungsbank/ Kapitalerhöhung und mehr soziale Investitionen sind geplant

Hamburg/Washington (dpa) – Präsident Enrique Iglesias denkt an die Armen: Die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) wolle ihr „Engagement zur Verbesserung der Lebensbedingungen und Bildungsmöglichkeiten in Lateinamerika und der Karibik weiter ausbauen“, sagte er gestern in Hamburg. Dort eröffnen heute Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Boliviens Staatspräsidenten Jaime Paz Zamora die 34. Jahrestagung der IDB.

Wenn Iglesias recht hat, steht eine Kurskorrektur bevor. Im vergangenen Jahr sind dem Geschäftsbericht des vergangenen Jahres zufolge nur rund 27 Prozent aller bewilligten Kredite in die Finanzierung sozialer Projekte geflossen. Das soll sich ändern. Manche Mitgliedsländer seien sogar der Ansicht, so der Präsident weiter, daß dieser Anteil auf „bis zu 50 Prozent“ erhöht werden müsse.

Die Jahrestagung der Bank mit Sitz in Washington findet erstmals in Deutschland statt. Rund 2.500 Finanzexperten und Politiker aus mehr als 50 Staaten beraten bis Mittwoch unter anderem darüber, ob die 45 Mitgliedsländer ihre Kapitaleinlage erhöhen sollten. Außerdem will der Gouverneursrat – das höchste Gremium der Bank – darüber entscheiden, daß in Zukunft auch der Privatsektor in geförderten Staaten BID-Anleihen erhalten dürfen.

1992 hat die Bank 1992 für 90 Kredite die neue Rekordsumme von sechs Milliarden Dollar genehmigt – 11 Prozent mehr als im Vorjahr, indem 5,4 Milliarden Dollar für 77 Darlehen ausgeschüttet wurden. Zur Finanzierung ihrer Aktivitäten nahm die IDB auf den internationalen Kapitalmärkten die Rekordsumme von 5,1 Milliarden Dollar auf. Das Risiko ihrer Investiononen ist geringer geworden. Denn trotz der weltweiten Wirtschaftsflaute und dem weiteren Preisverfall von Rohstoffen aus dem Raum konnten sich die Länder Lateinamerikas und der Karibik 1992 wirtschaftlich weiter erholen. Die Gesamtwachstumsrate lag laut IDB-Bericht bei 2,6 Prozent (1991: 3,2 Prozent).

Nach fast einem Jahrzehnt des wirtschaftlichen Niedergangs und einer Verschlechterung der sozialen Verhältnisse verzeichnete die Region zum zweiten Mal einen Anstieg der Produktionsleistungen pro Kopf.

Spitzenreiter war Chile mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr, vor Argentinien und Venezuela mit Zunahmen von je neun Prozent. Wenigstens zum Teil sei diese Stabilisierung auch auf den Abbau der Auslandsschulden der Länder dieser Region zurückzuführen, erklärt die Bank.