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Brachial TV durchs Kabel

■ Musikmagazin im Offenen Kanal / Fernsehen von BremerInnen über BremerInnen und für BremerInnen

Beim ersten Mal ging's gleich richtig los. Ein Laster fährt mit Schmackes gegen ein Auto, jemand reißt panisch die Augen auf, und schon schleudert ein Körper durch die Windschutzscheibe. Herzlich willkommen, Brachial TV ist auf Sendung.

Nun ist der Newcomer auf dem Offenen Kanal, (OK), Erstsendung am 9.12. letzten Jahres, aber beileibe kein Horrormedium. Brachial TV ist ein Bremer Musikmagazin. Von BremerInnen, für BremerInnen und bisher, zumindest zum Teil, auch über BremerInnen. Im Dezember folgte gleich nach dem Unfall-Schocker-Intro die heimische Kombo „Messerknecht“ mit ihrem Titel „Hate them“. Der Titel war gut gewählt und paßte so ganz zum Motto der Sendung. Und warum gerade „Messerknecht“? Für Jann Grot von der 16-köpfigen Brachial- Gruppe keine Frage: „Weil wir die Musiker kennen, weil sie aus Bremen kommen und weil sie noch nie einen Auftritt hatten“. Eine echte Premieren-Band also.

Fernsehen machen ist gar nicht so leicht, das findet auch Daniela Sieling. Auch sie hatte über Freunde gehört, daß beim Offenen Kanal die Möglichkeit besteht, einen Schnitt- und Kamerakurs, sowie eine Studioeinführung zu belegen. „Und, daß unser Material später auch gesendet wird“, wie sie hinzufügt. Das sprach sich schnell in der musikbegeisterten Bekannt

Brachial TV - Der Morgen danachFoto: Katja Hedinga

schaft herum, so daß sie schon bald eine komplette Gruppe für die Kurse beisammen hatten. Ein Konzept gab es nicht, gibt auch heute noch nicht so recht. Ein Musikmagazin sollte es halt werden, „relativ pur, eben fast nur mit Live-Sound“, wie Jann sagt. Auf Politik sollte verzichtet werden. „Ich bin gegen Nazis kommt da nicht 'rein, die Musik, die wir bringen, ist Politik genug.“

Heute abend, um 19.45 Uhr, folgt nun die zweite Sendung im

lieber Dieter

hierhin bitte

den kaputten Fernseher

Kabelfernsehen. Wie lang braucht es, die 75 Minuten Sendezeit zusammenzuschustern? „Ziemlich lange, etwa drei Monate. Zunächst mußten wir Material finden, meistens Livekonzerte im Wehrschloß oder im Schlachthof. Und als Total-Neulinge wußte natürlich am Anfang niemand so recht, wer was macht. Jetzt, beim zweiten mal, hat sich ein Kern herausgebildet.“

Von demokratischen Entscheidungen wollen Jann und

Daniela nichts wissen. Wenn jemand will, daß eine bestimmte Band in der Sendung vorkommen soll, dann erhält sie auch Sendezeit. Zwischen den Auftritten von „Duh“ oder „Jesus Lizard“ versucht der Moderator Gax, sein Publikum mit kleinen Mitmachspielen zu unterhalten (auf die nicht eine einzige ZuschauerIn antwortete) oder er versucht sich in der Kunst des Interviews. Die geraten aus journalistischer Sicht zwar recht unbedarft, aber der Anspruch ist auch ein anderer. „Es ist halt nett zu hören, wie die Bands so drauf sind“, meint Gax.

Bei der zweiten Sendung heute abend spielt zunächst die Bremer Formation „Truth Party“. Eigentlich sollte es eine andere sein, die kam aber einfach nicht. Kein Problem für die Fernseh-MacherInnen. Technisch und inhaltlich hat sich schon eine Menge verändert. Katharina von der Popgruppe „Die Mädchen“ moderiert nun munter mit, und auch beim Schnitt und der der Mischung hat sich etwas getan. Super-Acht- Geschnipsel einer „AORTA- Austellung“ kommen ebenso vor wie nette Überblendungen. Darüber gab es zwar Auseinandersetzungen, aber die Befürworter der harten Schnitte konnten sich nicht durchsetzen.

Eine Uraufführung hat Brachial TV heute auch zu bieten. „Die Mädchen“ werden ihr Video „Dioptrin“ vorstellen. Und angerufen soll auch wieder werden. „Wenn ihr nicht anruft, geht die Welt unter“, droht Katharina. Die Telephonnummer gehört übrigens zum Punkkeller „Leman“, wo alle Nicht-Kabel- BesitzerInnen die Sendung mit der TV-Gruppe zusammen anschauen können. Die Musik kommt unter anderem von „Codeine“, „Surgery“ und „Gallon Drunk“ und dem Bremer „Weserblei Duo“. Getreu deren Textzeile: „Dann wird jeder Tag der beste sein, und das Glück vergißt dich nie“. Cool J.F.

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