piwik no script img

Niederländer bestreitet Kindeshandel

■ Sinti-Paar wegen Verdachts auf internationalen Kindeshandel erneut vor Gericht/ Vorwürfe abgestritten

Berlin. Den Vorwurf der Kindesentführung und der Freiheitsberaubung hat ein niederländisches Sinti-Paar am Montag vor dem Berliner Landgericht zurückgewiesen. Die Anklage gegen den 44jährigen Mann und seine 36 Jahre alte Frau war wegen des Verdachts auf international organisierten Handel mit geraubten Asylbewerberkindern erhoben worden. Ein erster Prozeß im Januar platzte, weil wichtige Zeugen fehlten. Ein 28jähriger Rumäne war damals wegen des Raubs eines einjährigen Säuglings im Okotober 1991 aus einem Spandauer Asylbewerberheim zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Er hatte den geraubten Jungen als eigenes Kind ausgegeben. Sein 24jähriger Komplize erhielt zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis. Das Verfahren gegen das Sinti- Paar wurde abgetrennt, weil neue Zeugen für den zweiten Fall eines dreijährigen Mädchens, das einige Wochen zuvor aus der Anlaufstelle für Asylbewerber entführt worden war, noch nicht zur Verfügung standen.

Der Angeklagte erklärte gestern, das dreijährige Mädchen und der einjährige Junge, die im Oktober 1991 bei einer Polizeirazzia in seinem Wohnwagen auf dem Zigeunerparkplatz an der Berliner Jaffestraße aufgefunden wurden, seien ihm von deren Vätern zur Obhut anvertraut worden. Den Jungen habe er adoptieren wollen, weil seine Frau keine Babys bekommen könne. Ein Zigeunerleben ohne Kinder, so der Angeklagte, sei kein Leben.

In dem für Deutschland bisher einmaligen Fall geht die Anklage davon aus, daß das Paar mit dem mutmaßlichen Drahtzieher einer Kinderhändlerbande – dem untergetauchten Franzosen Joseph Colombar – gemeinsame Sache machte. Demnach sei geplant gewesen, vor allem Asylbewerberkinder zu kaufen, um sie gewinnbringend ins Ausland zu vermitteln. Colombar war im Herbst 1991 mehrfach mit dem Holländer gesehen und in Verbindung zu Kleinkindern gebracht worden.

Bei seinem gemeinsamen Auftreten mit Colombar in einem Kinderheim und auf der Säuglingsstation eines Krankenhauses, so der Angeklagte, habe er lediglich Dolmetscherdienste für die Verwandten der Kinder geleistet. Colombar sei es gewesen, der ihm das dreijährige Mädchen als seine eigene Tochter anvertraut habe, als er eine Frankreichreise unternahm. Laut Anklage wurde das Kind aus einem Braunschweiger Asylbewerberheim entführt. dpa/ADN/taz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen