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Generalpräventiv gegen Olympiagegner

■ 6.700 DM Sachschaden: Bewährungsstrafen für Jugendliche nach Justizposse/ Richter zu keiner Zeit Herr des Verfahrens

Berlin. Haftstrafen auf Bewährung erwarteten Beobachter gestern als Ergebnis einer Verhandlung der Jugendschöffenkammer des Amtsgerichts Tiergarten gegen drei Strausberger Olympiagegner. Sie wurden für schuldig befunden, in der Nacht auf den 15. März 1993 bei einer Filiale des Olympia- Sponsors Berliner Bank sechzehn Scheiben eingeworfen zu haben. Sachschaden: 6.900 Mark. Wegen der zunehmenden Straftaten von Olympiagegnern hatte die Staatsanwaltschaft dennoch auf Haftstrafen von bis zu sechs Monaten auf Bewährung bestanden. Die Verteidigung hatte auf Geldstrafen plädiert.

Das Verfahren glich zeitweise einem Marionettentheater, bei dem der Vorsitzende der Kammer, Dietz, die Hauptrolle spielte. Dietz hatte unter anderem die Beschwerde der Anwälte gegen den Aufschub der Haftverschonung beim Haftprüfungstermin am Freitag (taz berichtete) nicht an das zuständige Landgericht weitergeleitet, sondern an die Kanzlei des Amtsgerichts. Begründung: Die Zeugen mußten für die gestrige Hauptverhandlung geladen werden, was freilich längst geschehen war. Ergebnis der Verzögerung: Das Landgericht hatte bis gestern nicht, wie vorgesehen, über die Haftfrage entscheiden können.

Um die Frage einer vorzeitigen Aufhebung der Haftbefehle drehte sich auch ein Großteil der gestrigen Verhandlung. Richter Dietz hatte einen enstprechenden Antrag der Anwälte zunächst mit der Begründung abgelehnt, er werde am Ende der Beweisaufnahme darüber befinden. Später jedoch erklärte er sich in dieser Frage nicht zuständig, sondern wollte das Landgericht darüber entscheiden lassen. Rechtsanwalt Kliesing beschuldigte den Richter daraufhin der Nötigung. Wenn das Gericht die offenkundig rechtswidrigen Haftbefehle nicht aufhebe, sei die Verteidigung in ihrer Prozeßführung behindert. Schließlich hinge über jedem Beweisantrag das Damoklesschwert der Vertagung und damit weiterer U-Haft für die Jugendlichen. Dietz' Antwort: „Dann stellen Sie Ihre Beweisanträge einfach nicht.“

Auch das Zustandekommen des Verfahrens wurde von den Anwälten scharf kritisiert. Kliesing warf dem Staatsanwalt der Abteilung 81 vor, das Verfahren, obgleich nicht zuständig, an sich gerissen zu haben. Diese Abteilung wurde, wie berichtet, wegen zunehmender Gewalt von Rechtsradikalen ins Leben gerufen. Abteilungsleiter ist der frühere Chef der politischen Staatsanwaltschaft Carlo Weber, der gestern zeitweise dem Prozeß beiwohnte.

Das Ziel der Staatsanwaltschaft sei es von vorneherein gewesen, so Kliesing, die Angeklagten mit U-Haft zu bestrafen und so ihre berufliche Existenz zu vernichten. Veteidiger Ratzmann meinte, daß mit Hilfe der Justiz offenbar versucht werde, politische Exempel zu statuieren und Großveranstaltungen wie Olympia gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen. Staatsanwalt Knispel selbst erklärte die Zuständigkeit der Abteilung 81 damit, daß sich die Angeklagten in einem besetzten Haus aufgehalten hätten und wegen der damit verbundenen Fluchtgefahr die U-Haft gerechtfertigt gewesen sei. Die Forderung nach einer Haftstrafe auf Bewährung begründete er damit, daß es angesichts steigender Straftraten von Olympiagegnern einer generalpräventiven Abschreckung bedürfe. Uwe Rada

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