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Frankreichs neue Regierung steht

■ Weniger Minister, keine Staatssekretäre/ Nur drei Frauen im Kabinett/ Balladur per Linienflug nach Bonn?

Paris (taz) – Der neue französische Premierminister Edouard Balladur hat seine Regierung zusammengestellt. Am Dienstag abend, 24 Stunden nach seiner Ernennung, gab der Sprecher des Elysee die Namen von 29 neuen Ministern bekannt. Zuvor hatte der konservative Regierungschef ganze zehn Minuten lang mit Präsident François Mitterrand konferiert, was darauf schließen läßt, daß dieser keine Einwände erhoben hat.

Balladur verteilte die Ämter ausgewogen zwischen den beiden Koalitionsparteien: So erhält die neogaullistische RPR, der er selbst angehört, 13 Ämter; die liberalkonservative UDF übernimmt 16 Ministerien, obwohl sie im Parlament etwas schwächer vertreten ist.

Die Frauen schneiden unter Balladur äußerst schlecht ab: Die Regierung zählt nur drei Ministerinnen. Die Liberale Simone Veil übernimmt das Ressort Soziales, Gesundheit und Stadtentwicklung, sie wird zudem die Nummer zwei im Kabinett. Die frühere Staatssekretärin Michèle Alliot-Marie erhält das Ressort Jugend und Sport. Die völlig unbekannte Antillaisin Lucette Michaux-Chevry wird Nachfolgerin von Bernard Kouchner im Ministerium für Menschenrechte und humanitäre Aktionen.

Die Mehrzahl der MinisterInnen sind AnhängerInnen des Maastricht-Vertrags, lediglich Charles Pasqua (siehe Porträt S. 11), Minister für Inneres und Bodenplanung, und Forschungsminister François Fillion waren beim Referendum gegen den europäischen Einigungsvertrag zu Felde gezogen.

Neuer Außenminister wird der bisherige Generalsekretär der neogaullistischen RPR, Alain Juppé. Er ist einer der engsten Vertrauten von Parteichef Jacques Chirac. In den Elitehochschulen der Nation wurde er zum Technokraten geformt. Im Wahlkampf hatte er eine Zeitlang gefordert, daß Mitterrand im Falle eines hohen Wahlsiegs der Rechten zurücktreten müsse. Nun wird er mit dem Präsidenten kooperieren müssen, da die Außenpolitik zu dessen Aufgabenbereichen gehört. Wirtschafts- und Finanzminister wird Edmond Alphondéry, ein als gemäßigt geltender Zentrist. Der Professor für Wirtschaftspolitik ist ein entschiedener Anhänger des Europäischen Einigungsvertrags; den Posten eines EG-Kommissars in Brüssel hatte er kürzlich abgelehnt, weil er auf ein Ministeramt gehofft hatte. Er ist auch Verfechter eines starken Francs und einer strengen Haushaltspolitik. Von ihm wird erwartet, daß er innerhalb weniger Wochen einen psychologischen Schock bewirkt, der den Willen der Regierung zum wirtschaftlichen Aufschwung markiert. Zudem soll er – in enger Kooperation mit Deutschland – auf eine Senkung der Leitzinsen hinarbeiten.

Der Zentrist Pierre Méhaignerie wird Justizminister, der Ehrenpräsident der parti républicain, Francois Léotard, übernimmt das Verteidigungsministerium und muß sich wie der Außenminister mit Mitterrand arrangieren.

Balladur hat sein Versprechen wahrgemacht und eine kleine Mannschaft zusammengestellt: Unter seinem Vorgänger Pierre Bérégovoy gab es 42 MinisterInnen, darunter sieben Frauen mit wichtigen Ressorts. Unter Balladur gibt es erstmals keine Staatssekretäre. Von den neuen Ministern haben 15 noch keine Regierungserfahrung. Mit einem Durchschnittsalter von 52 Jahren ist das Kabinett relativ jung. Am Freitag will Balladur seinen Ministern „seine Methode“ und seinen „Kalender“ vorlegen.

Daß es ihm dabei ums Sparen geht, machte er bereits gestern deutlich: An die Adresse seiner Kabinettsmitglieder gerichtet, forderte er die Minister auf, keine neuen Autos zu kaufen und Dienstreisen mit Linienflügen zurückzulegen. Balladur selbst möchte schon nächste Woche in ein Linienflugzeug steigen und den Bundeskanzler in Bonn aufsuchen. Bettina Kaps

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