: Flugverbot über Bosnien: „Im Prinzip ja“
Rußland will Resolution über Durchsetzung des Flugverbotes abschwächen/ Druck auf Serben soll verstärkt werden/ Keine Einigung über UNO-Aufnahme Mazedoniens ■ Aus Genf Andreas Zumach
Der UNO-Sicherheitsrat in New York hat am Mittwoch Beratungen über die Durchsetzung des Vance-Owen-Plans begonnen. EG-Unterhändler David Owen forderte in Genf, daß die Ratsmitglieder jetzt „nicht nur eine Unterstützung des Plans beschließen, sondern zugleich auch den Druck auf die bosnischen Serben spürbar verschärfen, das Abkommen endlich zu unterschreiben“. Wegen anhaltender russischer Bedenken gegen allzu konkrete Druckmaßnahmen wird in UNO-Kreisen mit einer Entscheidung des Sicherheitsrates jedoch nicht vor dem Gipfel zwischen den Präsidenten Jelzin und Clinton an diesem Wochenende in Vancouver gerechnet. Am Dienstag hatte der Sicherheitsrat das Mandat für die 23.300 UNPROFOR-Soldaten in Bosnien, Kroatien und Mazedonien bis zum 30. Juni verlängert. Nicht einigen konnte sich der Sicherheitsrat dagegen auf die UNO- Aufnahme Mazedoniens. Da die Flagge der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik den 16zackigen Stern Alexanders des Großen zeigt, protestierte Griechenland gegen diese Verwendung „griechischer Symbole“.
Rußlands UNO-Botschafter Juri Woronzow erklärte am Dienstag abend in New York, der Sicherheitsrat sei sich „im Prinzip einig“ über einen von den USA, Frankreich, Großbritannien und Spanien eingebrachten Resolutionsentwurf, der militärische Maßnahmen zur Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien vorsieht. Jetzt bedürfe es nur noch der „Feinabstimmung“. Woronzows Äußerungen stießen in UNO-Kreisen auf Skepsis. Unbeschadet ihrer für die Öffentlichkeit bestimmten Äußerungen hatten die Russen während der Bosnien-Verhandlungen hinter den Kulissen des Sicherheitsrates und in bilateralen Kontakten mit Washington eine verschärfte Gangart gegen die Serben immer wieder zu verhindern gewußt. Und auch am Mittwoch verlautete aus dem Außenministerium in Moskau, daß man den vorliegenden Resolutionsentwurf nicht unterzeichnen werde. Geändert werden müsse die Formulierung, die auch Angriffe auf Ziele am Boden zulassen soll.
Owen erklärte in Genf, daß ein Sicherheitsratsbeschluß über die Durchsetzung des Flugverbotes „weitgehend symbolisch“ und „nicht ausreichend“ sei. Das UNO-Gremium müsse jetzt zugleich die Verschärfung wirtschaftlicher Sanktionen und deren effektivere Durchsetzung gegen Serbien beschließen und den bosnischen Serben eine Frist für die Unterzeichnung unter die Provinzkarte und die Interimsvereinbarung des Bosnien-Abkommens setzen. Konkrete Vorschläge für die Verschärfung der Sanktionen sowie für eine Zeitfrist wollte Owen nicht machen. Das sei „jetzt Sache der Regierungen“.
Bosniens Präsident Alija Izetbegović hatte anläßlich seiner Unterzeichnung der beiden Teile des Abkommens am Donnerstag letzter Woche erklärt, seine Unterschrift werde hinfällig, wenn Serbenführer Radovan Karadžić nicht innerhalb von zehn Tagen ebenfalls unterschreibe. „Karadžić besteht jedoch weiterhin auf einer eigenständigen serbisch-bosnischen Teilrepublik und wird ohne massiven Druck von dieser Haltung nicht abrücken“, beschrieb Owen seinen Eindruck aus den letzten New Yorker Verhandlungswochen. Izetbegović leistete seine Unterschrift erst, nachdem er aus Washington und anderen westlichen Hauptstädten Zusicherungen erhalten hatte, daß zur Überwachung und Durchsetzung des Vance/Owen-Plans die Zahl der derzeit in Bosnien stationierten 13.400 UNPROFOR-Soldaten mindestens verdreifacht werden wird. UN-Diplomaten in New York sind jedoch nicht sicher, ob sich im Sicherheitsrat eine Mehrheit für die Einlösung dieser auch sehr ausgabenträchtigen Versprechen finden läßt. Schon die Kosten für die bisherige UNPROFOR-Präsenz in Bosnien in Höhe von 590 Millionen US-Dollar sind von den UNO- Mitgliedsstaaten erst zur Hälfte beglichen worden.
UNO-Diplomaten schlossen nicht aus, daß Kostenargumente sowie die russischen Bedenken gegen allzu deutliche Druckmaßnahmen auf die serbische Seite dazu führen, daß der Sicherheitsrat vorerst überhaupt keine konkreten Maßnahmen zur Umsetzung des Vance-Owen-Planes beschließt. Zumal wenn sich die Serben nicht nur an das Flugverbot über Bosnien, sondern auch an den jüngsten Waffenstillstand halten und die Behinderung von Hilfslieferungen einstellen. Das könnte zu einem Einfrieren des Status quo führen – das heißt einer De-facto-Kontrolle der Serben über die derzeit von ihnen besetztgehaltenen Gebiete Bosnien-Herzegowinas.
In Genf sollen ab nächster Woche die Arbeitsgruppen der internationalen Jugoslawienkonferenz über Minderheiten, die wirtschaftliche Zukunft Ex-Jugoslawiens sowie eine Nachfolgeregelung der ehemaligen Föderation ihre Beratungen wieder aufnehmen.
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