: Skin-Prozeß beginnt mit großer Verspätung
■ Drei Jugendliche wegen Todes des Mosambikaners Gomondai beschuldigt
Dresden (taz) – Vor dem Jugendschöffengericht Dresden müssen sich „Mitte April“ drei jugendliche Tatverdächtige für den Tod des 28jährigen mosambikanischen Arbeiters Jorge Joao Gomondai verantworten. Sie sind der „gefährlichen Körperverletzung und fahrlässigen Tötung“ angeklagt.
Am 1. April 1991, gegen 4 Uhr, war eine Gruppe Rechtsradikaler der Straßenbahnlinie 7 in Dresden zugestiegen. Sekunden später stürzte der Mosambikaner aus der fahrenden Bahn. Eine Woche später erlag er seinen Verletzungen. Erst nach dem Tod des Opfers, als mehrere hundert DresdnerInnen auf einem Trauerzug gegen die schleppenden Ermittlungen protestierten, setzten die Behörden eine Sonderkommission ein. Der damalige sächsische Generalstaatsanwalt Günther Hertweck verwies auf die „sehr schlechte Beweislage“, nachdem eine Anklage lediglich wegen „Körperverletzung“ erhoben worden war. Nach weiteren Ermittlungen unter seinem Nachfolger Jörg Schwalm konnte die Anklage nun erweitert werden. Bereits im vergangenen Jahr hatte Schwalm jedoch gegenüber der taz erklärt, daß eine Mordanklage nicht haltbar sei. Es sei unklar, ob das Opfer von den Skins aus der Bahn gestoßen wurde oder ob es, aus Angst, selbst gesprungen ist.
Gegenüber der Sächsischen Zeitung begründete der Sprecher des Dresdner Amtsgerichts, Thomas Kleinheinz, den „recht späten Verhandlungstermin“ mit Überlastung des Gerichts: „Wir hatten in den vergangenen Wochen zahlreiche Jugendhaftsachen, die vorrangig zu bearbeiten waren.“ In der gleichen Zeitung bezeichnete der Vater des zweiten Opfers der damaligen Skin-Gruppe die Verzögerung als „internationalen Skandal“. Bevor die Rechtsradikalen über den Mosambikaner herfielen, hatten sie in der Äußeren Neustadt den damals 31jährigen Rainer J. brutal zusammengeschlagen und gezielt auf den Kopf getreten. Das Opfer werde sein Leben lang an Kopfschmerzsyndromen leiden, teilte der Vater mit. Er sehe in dem Überfall einen „klaren Mordversuch“, erklärte er unter Hinweis auf die lasche Anklage.
Unmittelbar nach dem Überfall auf Gomondai waren schwere Vorwürfe gegenüber der Polizei erhoben worden. Sie hätte die Skins noch in der Bahn greifen können, kümmerte sich statt dessen aber weder um die Täter noch um das Opfer, erklärten Zeugen.
Das Dresdner „Bündnis gegen Rassismus“ hat für die Zeit vom 1. bis zum 8. April zu einer Aktionswoche aufgerufen. In der Nähe des Ortes, an dem Jorge Gomondai in den Tod stürzte, wird ein Camp eingerichtet. Oberbürgermeister Herbert Wagner (CDU), der bisher an keinem der Gedenkmärsche für Jorge Gomondai teilgenommen hat, enthüllte am Mittwoch abend eines Gedenksteins. Wagner sagte, mit der Gedenktafel solle „ein Zeichen gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit“ gesetzt werden. Die Tafel trägt die Aufschrift „Jorge Gomondai Opfer brutaler Ausländerfeindlichkeit“. Detlef Krell
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen