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Helmut! Ein Hamburger im Ochsen

Wie einst in Passau: Hamburgs Sozialdemokraten bejubeln die  ■ Stammtischparolen eines Volksredners

Ach, Franz-Josef. Wenn Du das noch hättest erleben dürfen. Die Hamburger Sozis auf den Spuren der CSU. Dein Ex-Gegenspieler in deinen viel zu großen Fußtapfen. Sackzementnochmal, das hätte dir gefallen. Aber leider, leider konntest du ja nicht dabei sein, am Mittwochabend im Dom-Festzelt „Zum Ochsen“. Zu schade.

Stammtischparolen hättest Du da hören können. Und die Musi, so zünftig. Du hättest dir auf die Haxn geschlagen vor Freude über diese Erste Vollversammlung des SPD- Bezirks Mitte. Basisdemokratisch ging's da zu, fast wie in Passau am Aschermittwoch. Und fast wie damals zu deinen Glanzzeiten in der Nibelungenhalle johlte das einst so steife hanseatische Parteivolk, als der Schmidt Helmut dem Volk aufs Maul schaute und seinen Nachfolgern in Bonn, Hamburg und überall die Leviten las. Böbö-böbö-bö-bö- tarum.

Kein gutes Haar hat er gelassen an den Kinkels, Kohls und Voscheraus. Unfähig allesamt. „Das Volk ist sauer. Und zwar zu recht.“ Da jubelt das 1000köpfige Parteivolk und der Ochse unterm Zeltdach lächelt milde. „Es ist Zeit für die Politiker zum Aufwachen.“ Jawoll. Diese „Lambsdorffs, Hausmanns, Möllemänner und wie sie alle heißen.“ An den Pranger, jawoll, noch ein Bier bitte.

„Ich bin nicht begeistert über den Solidarpakt.“ Jawoll, wer ist das schon? Und diese ganze Asyldebatte. „Jedes Jahr eine Million Asylbewerber reinzulassen. Das geht nicht!“ Da tobt der Saal. Mal ehrlich Franz-Josef, bei allem Respekt, das hättest du auch nicht besser ausdrücken können. Grundrecht? A Schmarrn. „Alberne verfassungspolitische Streitigkeiten, die wir nicht begreifen können.“ Pfui, SPD, Pfui. Denn: „Es steht doch nicht im Grundgesetz, daß jeder Asylbewerber den vollen Sozialhilfesatz bekommen soll.“ Jawoll, noch ein Bier bitte. Nein, „Scheinasylanten raus“, hat der Schmidt nicht gefordert. Aber geklatscht hätten die Ochsengäste bestimmt, wenn er es denn gesagt hätte. „Helmuthelmuthelmut!“

Bei allem Jubel, ein wenig traurig sind sie dann doch gewesen, die Sozis an diesem Festtag. Denn, bei aller Kritik an „den Kerlen in Bonn“, zurück an den Rhein möchte der „Hoffnungsträger“ Helmut nun doch nicht: „Eine Kandidatenrede war das nicht.“

Hat da etwa einer Gottseidank gesagt ? So direkt nicht, lieber

1Franz-Josef. Aber der Henning Voscherau... wie? Den kennst du gar nicht...? Also Hamburgs Erster Bürgermeister, der war schon auffällig aufgeräumter Stimmung, als

1er nach dem verhinderten zukünftigen Bundeskanzler die Ochsen- Bühne erklomm und mit den Händen in den Taschen etwas von Erinnerungen erzählte, die die Ver-

1gangenheit ein wenig vergolden und den Blick etwas unscharf werden lassen. Applaus hat er dafür allerdings kaum bekommen. Uli Exner

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