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Klasse Masse, prima Body

Körperliche Wiederaufbereitung im Fitneßstudio, Walstatt der Hagestolze, Mastschweine und Balzkönige/ Kilos stemmen, cool gucken  ■ Von Michael Schophaus

Hamburg (taz) – Jetzt reicht's, Arnold. Hör' auf zu grinsen. Oh, ich hasse dein fieses Maul. Diese Geistesarmut aus den Bergen. Den Stumpfsinn deiner Züge. Dein langweiliges, pralles Mastfleisch und deine sonnenbankgepökelte Muskelfülle. Hat Dir eigentlich Amerika den Rest besorgt? Sieht stark so aus. Wo sonst glotzt man so aufgeblasen überlegen?

Hab' Erbarmen, Terminator. Du hohnlächelndes Häufchen Elend. Du dummdreist grienender Klumpen Mensch. Ansonsten hol' ich dich von dieser Wand herunter. Mit einem Schlag. Mit einem Ruck. Gestählte Unterarme sind zu allem fähig. Mich gibt's hier nun ja wirklich und dich nur als ziemlich altes Poster. Überlebensgroß im Fitneßcenter. Bei Schwarzenegger soll das aber trotzdem was heißen.

Doch es wird Frühling, Mann, das spürt man nicht nur in der Hose. Der Baggersee wird bald zum Bade laden, und bis dahin haben der Wulst am Bauch, der Speck am Arsch und das Fett der Hüfte in der Schwitzbrühe des Foltertempels zu verschwinden. An die Kette, Schweinehund, und dein Herrchen an die Eisen, damit sich schamwärts nie mehr Schinken faltet, und sich ganz allmählich die Lage vor dem Spiegel entspannt. Sonne! Frühling! Frauen! Mann! Die Zeit wird knapp.

Muß ich also doch den Arnold machen. Meinen ganz privaten kleinen Arnold. Muß ich mir die Adern aus den Bizepshäuflein treten lassen, den Brustkorb aus seiner leptosomischen Versenkung pumpen, den Rücken mit Gewicht entzücken, und Kilos stemmen und cool gucken, und Kilos stemmen und cool gucken, und Kilos stemmen und cool gucken, und Kilos stemmen und cool gucken, und Kilos stemmen und cool gucken... Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte den Arzt oder Terminator.

Kommt aber gut. Kommt wirklich gut. Hat da nicht gerade etwas unbeschreiblich Weibliches sinnesfroh die Augen über meinen bebenden, schweißnassen Körper wandern lassen und sich all ihrer schmutzigen Phantasien entleert? Noch so ein williger Schmacht und sie kriegt auch ihr Fett weg. Werde ihr dann mal ganz schnell einen posen, wo doch der pectoralis so geil raussteht, der Bauch eher einem Waschbrett ähnelt, und sich der gluteur medius so affenscharf definiert. Nach nur zwei Wochen! Heute ein König! Arnold bleibt hängen!

Mensch, es lebe die körperliche Wiederaufbereitung, die schnellen Brüter unterm Eisen, der Supergau sich überstürzender Hormonausschüttung. Gebt dem Verfall des Körpers keine Chance, die Tage werden länger und die Arme breiter, na bitte, Männer, und – Blutkörperchen aller Farben, vereinigt euch. Nur, im Vertrauen, was da so alles unter der Hantel ächzt und schwitzt und stöhnt, um sich für den nächsten Strand zu schinden, bald kennt man sie beim Namen.

Den Sesselpupser aus dem Kraftfahrzeugamt-Nord zum Beispiel: trainiert in wollener, alter Unterwäsche, wirkt unsicher, scheint sich jeder Kontraktion zu schämen und stinkt wie ein Iltis.

Den Hagestolz (eher so einer wie ich, Arnold!) mit freiberuflicher Gelassenheit: körperbetont bis zum Umfallen, immer am federnden Gang zu erkennen, an Heimsonne-Verbrennungen zweiten Grades, mindestens „axe“, wenn nicht „charactère“.

Den Balzkönig aus der Szene: beste Klamotten, führt Buch über jeden neuen Oberarm-Zentimeter, finanziert sich das Studium als Türsteher, quatscht jeden voll, der nur in seine Nähe gerät.

Den Narziß mit nach oben offener Freizeit-Skala: kümmert sich eigentlich nur um seinen Körper, ruht in sich, fährt viel nach Amerika, lästert gern über den fetten Arsch von Bill Clinton, ist in der Regel schwul.

Das Mastschwein (eher einer wie du, Arnold!) mit beschränkter Haftung, so ein Kreuz und solche Arme, Baseballmütze, Schirm nach hinten, brüllt ab 100 Kilo aufwärts animalisch, ist ansonsten zahm wie ein Lamm, sto-sto-sto- sto-stottert ein bißchen.

Ja, wie auch immer, und wer hier auch so alles herkommt: Der Schrumpel meiner ältlichen Haut jedenfalls strafft sich mit jedem Tage mehr, die hängenden, kleinen Säckchen aus der Taille sind verschwunden, hmmmm, du siehst wieder so richtig lecker aus, denke ich, auch wenn dir manchmal noch das Weiße aus den Augen tritt.

Auch Spiegel – davon gibt's im Studio ja reichlich –, auch Spiegel sind plötzlich kein Thema mehr, wer sind denn Sie? bin ich fast geneigt, mein kraftstrotzendes Gegenüber zu fragen. Klasse Masse! Prima body! Jetzt noch rasch unter die halbstündige Turbosun mit ultraviolettstrahlenschützendem Gesichtsbräuner, dann ein Eimerchen „Eiweiß light“ mit KokosSchokoHeidelbeerGeschmack, vielleicht ein schnelles Gläschen Elektrolyte hinterher, wohl bekomm's. Doch Arnold, unter Kollegen, nur eine Frage, die wird bleiben, wenn der Frühling Einzug hält: Ich hier und nicht in Hollywood?

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