Pakistans Führung im Zweikampf

■ Während seines Deutschlandbesuchs ist Pakistans Premierminister Sharif zu Hause weiter unter Druck geraten

Neu-Delhi (taz) – Pakistans Premier Nawaz Sharif, der gestern seinen fünftägigen Besuch in der Bundesrepublik beenden wollte, wird froh sein, die heimatlichen Gefilde wieder zu erreichen. Denn seine Position zu Hause ist alles andere als gefestigt: der Machtkampf zwischen Sharif und Staatspräsident Gulaq Ishaq Khan hat sich nach seiner Abreise am Montag weiter verschärft. Innerhalb einer Woche haben vier Minister dem Premier die Mitarbeit aufgekündigt. Am Dienstag gaben 16 weitere Parlamentarier ihre Unterstützung für Khan bekannt.

Auslöser der gegenwärtigen Krise: Premier Sharif versucht, das Vorrecht des Präsidenten zu beschneiden, die Entlassung von Provinz- und Bundesparlament zu verfügen. Dieses und andere Rechte, die im achten Verfassungszusatz verankert sind, stammen aus der Zeit des Militärdiktators Zia al- Haq. Sie geben dem Präsidenten Machtbefugnisse, welche die Handlungsfähigkeit des Premierministers entscheidend einengen.

Doch der Präsident ist offensichtlich nicht bereit, kampflos nachzugeben. Es gibt sowohl im Bundesparlament wie in den einzelnen Landtagen genügend Abgeordnete, die ihre Wahl direkt oder indirekt dem Präsidenten verdanken. Die Drohung mit der Gouillotine – der Auflösung des Parlaments – genügt all jenen, die sich um ihre Wiederwahl Sorgen machen, um für Ishaq Khan statt für Sharif Stellung zu beziehen.

Das Beispiel Benazir Bhuttos, die 1990 entlassen wurde, zeigt, daß selbst Premierminister nicht gegen eine solche drastische Maßnahme gefeit sind. Frau Bhutto nährt seitdem einen tiefsitzenden Haß gegen Khan, und Sharif nutzte dies aus, um mit ihr ein informelles Bündnis zu schließen, das – unter der Leuchtschrift der Demokratisierung – die diktatorische Rechtsstellung des Präsidenten beschneiden würde. Zwei kürzliche Todesfälle haben die Chancen zum Gelingen dieses Vorhabens allerdings erheblich geschmälert. Der plötzliche Tod des Oberkommandierenden der Streitkräfte, General Janjua, gab dem Präsidenten die Chance, einen Stammesgenossen, General Kakar, auf diesen Schlüsselposten zu berufen. Und der ebenso überraschende Tod von M.K.Junejo, dem Präsidenten der regierenden Muslim Liga, durchkreuzte Nawaz Sharifs Pläne noch entscheidender. Er hatte nämlich damit gerechnet, daß er die Junejo- Fraktion für sich gewinnen könnte, falls er ihrem Führer die Staatspräsidentschaft antragen würde.

Nun hat diese Gruppe keinen Grund mehr, für Sharif zu stimmen, wenn die Verfassungsänderung dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird. Es ist sogar möglich, daß sie Sharif die Gefolgschaft verweigern, wenn sich dieser nach seiner Rückkehr aus dem Ausland der Wahl für das Präsidentenamt der Muslim Liga stellt. Eine Rebellion in der wichtigsten Gruppierung innerhalb der Regierungskoalition wäre zweifellos das Ende von Sharifs Zweikampf mit dem Präsidenten – und wahrscheinlich auch seiner Regierung.

Es ist unklar, warum sich Sharif auf ein Spiel mit einem so hohen Einsatz gegen einen mit allen Wassern gewaschenen Widersacher einläßt. Er selber ist weitgehend das Produkt dieser präsidentiellen Vormachtstellung sowie der Armee, die mit dem Mittel des achten Verfassungszusatzes weiterhin aus dem Hintergrund die Staatsführung kontrollieren kann. Er mag kalkuliert haben, daß die einzige Alternative – eine Regierung unter Benazir Bhutto – für die Militärs noch ungenießbarer ist, als ein starker Premierminister Nawaz Sharif. Und weit und breit ist kein innerparteilicher Konkurrent sichtbar, der ihm das Wasser halten könnte. In der Bundesrepublik wollte sich Sharif nun bei seinen Gesprächen mit Kanzler Kohl und Wirtschaftsvertretern als den Architekten der pakistanischen Wirtschaftsreform präsentieren und dafür internationale Unterstützung mobilisieren. Ob die Mission des Regierungschefs einer der asiatischen Atommächte, die sich weigern, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen, erfolgreich sein konnte, ist angesichts der politisch instabilen und ökonomisch prekären Lage in seinem Land zu bezweifeln. Bernard Imhasly/li