: Nachschlag
■ „Die Nacht der Mörder“ in der Rost Bühne
Das Spiel ist mörderisch: Auf dem Dachboden des Elternhauses treffen sich die drei Geschwister Lalo, Cuca und Beba zu einer nächtlichen Sitzung, die alle Anzeichen einer düsteren Verschwörung hat. Was zunächst wie ein schon oft betriebenes harmloses Ausbüchs-Spiel der ruhelosen Kinder bei nachtschlafender Zeit daherkommt, entpuppt sich bald als existentielle Auseinandersetzung mit einer Welt, die jeden Freiheitsfunken unterdrückt. Diese Last ist ohne Gewalt nicht abzuschütteln: Dem verstaubten Dachboden zu entrinnen, scheint nur durch den Mord an der überalterten Generation möglich.
Das preisgekrönte Spiel „Die Nacht der Mörder“ des Kubaners José Triana ist eine böse Parabel auf diktatorische Machtverhältnisse: Der Appell richtet sich nicht an die Urväter und Urmütter der angestammten Verhältnisse, sondern an die Nachgeborenen, denen es nicht gelingt, sich aus dem Geflecht von Tradition und Ordnung zu lösen. Die drei altklugen Kinder stürzen sich in Rollenspiele, die die Verfehlungen der Eltern zwar wachhalten, doch in letzter Konsequenz gelangen sie damit nicht zu einer kritischen Distanz. Das Spiel tritt auf der Stelle, und die Darsteller zerfleischen sich – nicht nur im Spiel – gegenseitig.
Lalo (Till Sarrach), der aufmüpfige Sohn, steckt zwar voll schwarzem Anarchismus und Tatendrang, doch der messerschwingende Haudegen ist vor allem ein Maulheld. Er singt wilde Lieder, die martialischen Messer aber, die er wetzt, sind blank und bleiben ohne jede Blutspur. Auch hält ihn seine Schwester Lalo (Gundi-Anna Schick) zurück, die bei aller Sehnsucht nach eigenem Lebensfunken unerschütterlich an der Mutterliebe festhält, ordnungsliebend kuscht und in den Rollenspielen immer wieder den traditionsbewußten Part übernimmt. Beba (Barbara Philipp), die jüngere Schwester, ist ein Chamäleon, das mit fast noch naiver Spiellust in alle zur Verfügung stehenden Rollen springt – sie wird es letztlich sein, die in der moderaten Inszenierung von Hans Otto Zimmermann als einzige den Weg ins Freie findet. Lalo und Cuca, die beiden großen Kontrahenten, bleiben verstört zurück: In ihrer mit inzestuöser Erotik aufgeladenen Beziehung schwelt etwas, das sich viel zu gerne aufreibt, um nur ja nie aus dem Gestrüpp der Planung herausfinden zu müssen.
José Trianas eigentlicher Theatercoup – nicht zu verraten, ob die Eltern noch leben, ob die Mordhandlung nur immer wieder antizipiert wird oder ob, nach längst erfolgter Tat, die Folgen im Spiel förmlich rituell eingeforen werden – bleibt in der Rost Bühne ohne Interesse. Das allzu cleane Spiel im Gedankenraum findet nur selten zur nötigen Doppelbödigkeit, mit der die aufgezwungenen und die erspielten Rollen sich als unüberbrückbare Last auf ihre Darsteller zurückkrümmen. Daß schließlich Beba ausbricht, wird so wenig einsichtig und bringt uns auf unserer Suche nach Freiheit, dem notwendigen Ausbruch auch nicht viel näher. baal
Noch bis zum 4.5., montags, dienstags, freitags, samstags, jeweils 20.30 Uhr, Knesebeckstraße 29, Charlottenburg
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