: Big Bang von Weiterstadt
■ dito, Tagesthema, taz vom 29.3.93
dito, Tagesthema,
taz vom 29.3.93
Ich kann nicht verstehen, warum das schon wieder nötig gewesen ist? Bedenken Sie mal, ob dieser Sprengstoffanschlag tatsächlich billiger war als adäquate Öffentlichkeitsarbeit im kommunalpolitischen Bereich. Wir haben noch immer eine Demokratie, die, soweit ich sie verstehe, auch auf solche menschenunwürdigen Bauten aufmerksam machen kann, um der heutigen Gesellschaft eine Reflexion ihres verelendeten Humanbewußtseins wiederzugeben.
Es ist traurig, daß Menschen in solchen Terror- und Frustbunkern eingesperrt werden, die kriminelle Kausalitäten noch niemals verhindern konnten. Im Gegenteil: Haß wird geschürt, es kommt zur Konfrontation zwischen Staat und sich selbst. Schließlich wird es zur Politik und proportional von dieser wieder zum Gesellschaftsfeind Nr.1 gemacht. Wo geht es jetzt weiter? [...] Roswitha Angermund, Köln
[...] 60.000 gefangene Menschen im neuen Deutschland lachen und freuen sich. Wenn das nichts ist... Dieter Wurm
betr.: „Die RAF hält, was sie verspricht“, taz vom 29.3.93
Lieber Klaus-Peter, in Deinem Artikel über die Sprengung vom Knast Weiterstadt schreibst Du, daß radikale Grüne den Hochsicherheitstrakt als „KZ“ bezeichnet hätten. Das ist falsch! Es ist richtig, daß es eine Broschüre gibt, die den Titel trägt: Weiterstadt und Plötzensee, die neuen High-Tech-KZs. Die Broschüre wurde von der Bunten Hilfe Darmstadt erstellt und hat mit den Grünen überhaupt nichts zu tun.
[...] Laut Christine Hohmann- Dennhardt ist der Knast Weiterstadt ein „Beispiel für modernen und humanen Strafvollzug in Deutschland.“ Das modern stimmt, denn in Weiterstadt soll zum erstenmal in größerem Rahmen der Wohngruppenvollzug stattfinden. Wohngruppenvollzug hat mit Wohngemeinschaft nichts zu tun, obwohl es erst mal so klingt. Eine Wohngruppe besteht aus zirka fünf bis acht Gefangenen. Sie wird so ausgewählt, daß es zu Spannungen in der Gruppe kommen muß: Farbige und Rechtsradikale oder Gefangene, die sich nicht leiden können...
Eine Wohngruppe ist in einem Trakt zusammen durch einen Flur verbunden und mit einer Teeküche ausgestattet. Die Gruppen werden von Psychologen/Sozialarbeitern betreut. So jetzt geht's los: Sollte ein Gefangener der Gruppe nicht spuren, so ist es möglich, die gesamte Gruppe zu sanktionieren. Dadurch erhält der/die einzelne nicht nur Druck vom Sozialarbeiter/von der Sozialarbeiterin, sondern auch noch durch seine Wohngruppe. Wohin das führt, ist in Plötzensee klargeworden. Jeder Gefangene sitzt allein in seiner Zelle. Iso-Haft. Ist das human? Isolde Zipperer, Darmstadt
betr.: „Ein wohlkalkuliertes
Signal“ von Gerd Rosenkranz,
taz vom 29.3.93
Dieser Big Bang von Weiterstadt war auch als Signal an Justiz und Politik notwendig, da, wenn man gegen neofaschistische GewalttäterInnen und MörderInnen nicht mit derselben Härte vorgeht wie bis heute gegen die RAF und das sogenannte RAF-Umfeld, ein Bürgerkrieg eines solchen Ausmaßes droht, daß der „heiße Herbst“ 1977 nur als Sandkastenspiel bezeichnet werden kann.
Wann endlich bekommen die NeofaschistInnen ihr „Stammheim“? Während man gegen RAF-Gefangene, die ja durch die Erklärung vom April 1992 eine gnadenwürdige Kehrtwende vollzogen haben, heute noch die Taktik der „weichen Todesstrafe“ verfolgt, werden die NeofaschistInnen mit Strafen, die im Vergleich nur als Ohrfeigen bezeichnet werden können, „beglückt“. Letztes trauriges Beispiel war der OLG-Rüffel von Herrn von Stahl. [...] Name und Anschrift sind
der Red. bekannt
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