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Neue Asphaltschneisen durch die City

Ende Mai wollen Bonn und Berlin die künftigen Ost-West-Verbindungen in der Innenstadt festlegen Statt Entlastung der City neue Straßen/ SPD: Keine Übereinstimmung mit Koalitionsziel  ■ Von Dirk Wildt

Berlin/Bonn. In der Verkehrspolitik überstürzen sich die Planungen. Die Lage der vier Tunnel unter dem Tiergarten ist kaum ausgearbeitet, da wollen Bundesregierung und Senat festlegen, wo künftig der Ost-West-Verkehr fließen soll, wie viele Fahrspuren dafür nötig sind und durch welche Häuserblöcke neue Asphaltschneisen geschlagen werden müssen.

Ende Mai soll auf Drängen des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) der entscheidende Beschluß fallen. Der Unterausschuß Verkehr der gemeinsamen Regierungskommission Bonn/Berlin, in dem Senatsverwaltungen und Bundesministerien gemeinsam vertreten sind, wird dann die entscheidenden Weichen stellen. Dabei geht es unter anderem

um die Öffnung des Brandenburger Tores,

um die Verlängerung der Französischen Straße durch Gewerbegebiet und Ministergärten zur Ebertstraße,

um den Bau der Kronprinzenbrücke über die Spree,

um den Durchbruch der Lindenstraße bis an die Leipziger Straße,

um die Verbreiterung der Leipziger Straße,

und darum, ob die bisher völlig unbedeutende Habersaathstraße Teil des geplanten Innenstadtrings wird.

Nach Informationen der taz soll sich Diepgen weitgehend an diesem „Straßenkonzept für die City- Ost“, das Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) Ende vergangenen Jahres vorgestellt hatte, orientieren.

Trotz neuer Straßen und mehr Spuren ist der Stau eingeplant

Mit seinem mißverständlich bezeichneten „City-Ost-Konzept“ hält sich der Verkehrssenator zwar an den Beschluß der Koalitionsfraktionen, innerhalb des geplanten Innenstadtrings vier Fünftel des Verkehrs mit Bus und Bahn zu bewältigen und nur das letzte Fünftel dem privaten Auto- und dem Wirtschaftsverkehr zu überlassen. Doch trotz der gigantischen Ausbaupläne, denen etliche Häuser weichen müßten, werde sich das Straßennetz „an der oberen Grenze seiner Leistungsfähigkeit befinden“, heißt es in dem Haase- Papier. Anders gesagt, werden die nach dem Haase-Plan für die Straße Unter den Linden geschätzten 40.000 Fahrzeuge pro Tag im Dauerstau stehen.

Welche Auswirkungen Haases Asphalt-Traum auf die angrenzenden Innenstadt-Bezirke haben wird, ist dabei genausowenig abgeschätzt worden wie die Zunahme der Luftverschmutzung. Eine unverantwortliche Planung: Ab kommendem Jahr müssen nach EG-Recht endgültig die Grenzwerte für das Atemgift Stickoxid eingehalten werden. In der Brückenstraße, einer der wenigen Verbindungen über die Spree im Innenstadtbereich, wird der Grenzwert bereits heute, in nahezu allen Hauptstraßen der niedrigere Alarmwert überschritten. Die Sozialdemokraten haben denn auch begriffen, daß mit der anstehenden Entscheidung der Regierungskommission eine wichtige Koalitionsvereinbarung unterlaufen werden könnte. Denn die SPD hatte dem Straßentunnel unter dem Tiergarten, der Öffnung der Oberbaumbrücke und der Vervollständigung des Innenstadtrings an der Invalidenstraße nur unter der Bedingung zugestimmt, daß der Bereich innerhalb des Ringes vom Autoverkehr entlastet werde. Zwar wird nicht von einem drohenden Bruch der Koalitionsvereinbarung gesprochen, doch die Sozialdemokraten kündigen bereits an: „Nicht mit der SPD“. Joachim Niklas — einer der wenigen Sozialdemokraten mit verkehrspolitischem Sachverstand — hält die Vorschläge von Haase für „völlig unakzeptabel“. Die für die Zukunft zugrundegelegten Zahlen des Autoverkehrs stimmten „überhaupt nicht“ mit der Zielsetzung der Koalition überein.

Sozialdemokraten müssen erst einmal telefonieren

Dennoch will Niklas sich nicht auf Forderungen festlegen lassen. Zwar müsse — im Gegensatz zu den Vorstellungen der CDU und des Verkehrssenators — die Straßenbahn durch die Friedrichstraße fahren und dürfe die Straße Unter den Linden nicht auf insgesamt acht Spuren ausgebaut werden. Doch der Abgeordnete will nicht einmal sagen, wie stark seiner Meinung nach der Autoverkehr in der Innenstadt zunehmen dürfe.

Aber den Sozialdemokraten fehlt nicht nur ein eigenes verkehrspolitisches Konzept. Sechs Wochen, bevor Senat und Bundeskabinett das künftige Innenstadt-Straßennetz entscheidend festlegen werden, wissen sie nicht einmal, was die Regierungskommission Bonn/ Berlin entscheiden darf. Niklas mußte erst einmal mit dem verkehrspolitischen Sprecher der SPD im Bundestag, Klaus Daubertshäuser, telefonieren, doch auch der hatte keine Ahnung.

Widerspruch gibt es gegen das Ost- West-Konzept von Haase laut seiner Verwaltung bisher vor allem bei der geplanten Verbreiterung der Leipziger Straße seitens des Umweltsenators Volker Hassemer (CDU). Gegen die Verlängerung der Französischen Straße und die Beibehaltung der provisorischen Behrenstraße durch die Ministergärten südlich des Brandenburger Tores wende sich Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP).

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