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Regierung dankt ab in Karlsruhe

■ Verfassungsgericht entscheidet bis Ostern über Awacs-Flüge / Koalitionsbruch möglich

Berlin (taz/dpa) – „Wir sind in dem Zwiespalt, daß wir meinen, wir müßten können, aber glauben, wir könnten nicht, wobei wir uns darum streiten, ob es nicht doch geht.“ Der Sprecher dieser Windung kommt aus dem Schwäbischen, wo mit Hegel die Dialektik erfunden wurde: Bundesaußenminister Klaus Kinkel brachte vor Deutschlands höchstem Gericht die von der Öffentlichkeit kaum noch zu durchschauenden Zerwürfnisse um den Einsatz deutscher Soldaten in Awacs- Flugzeugen bei der militärischen Durchsetzung des UNO-Flugverbots über Bosnien-Herzegowina in einen Satz.

Trotz – oder gerade wegen – der nüchternen Minister-Erkenntnis gelang es auch in der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe nicht, den Knoten aus nationalen und internationalen Interessen zu entwirren, in dem sich die deutschen Awacs-Flieger seit dem Beschluß zum Einsatz über Bosnien- Herzegowina gefangen sehen.

Vier Bundesminister, Nato-Generalsekretär Manfred Wörner, mehrere Staatssekretäre, Parlamentarier und ranghöchste Bundeswehroffiziere fanden sich im Angesicht der roten Roben unvermittelt in einen handfesten Koalitionskrach hineingezogen. Die Interessen von UNO und Atlantischer Allianz reduzierten sich plötzlich auf das gespannte Bonner Verhältnis zwischen Union und Freien Demokraten. Zwar bemühten sich Verteidigungsminister Volker Rühe und sein Kollege aus dem Kanzleramt, Friedrich Bohl (beide CDU), unmittelbar nach der vierstündigen Verhandlung um Schadensbegrenzung: An der Awacs-Frage, so beide unisono, werde die Koalition keinesfalls scheitern.

Zuvor hatte es jedoch zwischen den Regierungsparteien in ihren prozessualen Rollen als Kläger und Beklagte mächtig gefunkt. FDP-Fraktionschef Hermann- Otto Solms bemerkte während der Sitzung offenbar plötzlich die Gefahr, von der Regierung klassisch „ausgebremst“ zu werden: Hatte doch Bohl wiederholt und in aller Deutlichkeit des Kanzlers Meinung wiedergegeben, am Kabinettsbeschluß pro Awacs-Einsatz werde nicht gerüttelt, wenn Karlsruhe den FDP-Antrag für unzulässig erachtet. Trotz aller Absprachen mit dem kleineren Koalitionspartner unbeirrt auf Unionskurs – das brachte Solms in Rage. „Sehr dramatische Formen“ könnten die dann notwendigen Diskussionen innerhalb des Regierungsbündnisses annehmen, ließ er wissen.

Harte Worte auch von der Opposition: Der Prozeßbevollmächtigte der SPD, der Frankfurter Staatsrechtler Michael Bothe, warf der Bundesregierung beim Streit um die Bundeswehreinsätze außerhalb der Nato eine „exekutive Salami-Taktik“ vor. Es sei eine „zielbewußte Politik der kleinen Schritte“, den Nato-Vertrag immer weiter auszudehnen und umzuinterpretieren.

Geradezu beschwörend bat Kinkel am Ende der Verhandlung die acht Richter um ihre Hilfe. Dabei scheute er sich nicht, einen Offenbarungseid abzulegen: Ohne die Hilfe des Bundesverfassungsgerichts, so Kinkel, werde eine politische Lösung des Awacs-Konflikts nicht gelingen.

Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht sich entschlossen, noch vor der Osterpause zu entscheiden – ob es sich denn überhaupt als zuständig erachtet. Tagesthema mit Gerichtsreportage auf Seite 3,

Kommentar Seite 10

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