: Vorschlag
■ „Blitzblutblank“ im Theaterdock an der Kulturfabrik
Eine Mutter soll ihre eigenen Kinder ermordet haben. Das sieht man der Frau doch gleich an. Wie die schon rumläuft, morgens im Discolook, und einen Liebhaber hat sie auch. Dabei ist sie verheiratet.
In dem Theaterstück „Blitzblutblank“ (Buch u. Regie: Friederike Pfann) steht aber nicht die Frage nach ihrer Schuld im Mittelpunkt, sondern die hybride Moral eines Umfelds, das sie anklagt und verurteilt. Da sind ihre Nachbarinnen. Eine Hure und läufige Hündin nennen sie die Frau. Sie haben zwar nichts gesehen, dafür reden sie um so mehr. Da ist ihr Ehemann, roh und lieblos, der auf die Ehepflichten pocht. „Vielleicht brauch' ich eine Zärtlichkeit“, erwidert die Frau auf sein rüdes „Kratz mir den Buckel!“. Und da ist die Justiz, die sie aufgrund zweifelhafter Indizien verurteilt. Der Staatsanwalt stempelt sie mit perfider Logik zur Bestie: Wenn sie, wie behauptet, die vom Vater erwürgten, fast toten Kinder gefunden habe, warum habe sie dann nicht versucht, sie wiederzubeleben?
Die Geschichte von „Blitzblutblank“ spielt auf einen realen Fall an. 1986 wurde Monika Weimar wegen Kindsmord auf der Basis fragwürdiger Indizien zu lebenlänglicher Haft verurteilt. Die Autorin hat diesen Fall nicht dokumentarisch umgesetzt, sondern das Muster einer modernen Hetzkampagne herausgearbeitet. Friederike Pfann läßt die Schauspieler stark typisiert agieren. Sie sprechen ihre Texte, selbstgefällige Monologe, wie Zeugenaussagen, das Gesicht zum Publikum gewandt. Eine Videokamera fängt ihre Gesichter ein, zwei Monitore zeigen sie in Großaufnahme.
Leider gerieten der Autorin Figuren und Dialoge oft reichlich klischeehaft. Die tratschigen Nachbarinnen stechen in ihren lusttötenden, beigebraunen Kostümen allzu offensichtlich vom frech-feminin gekleideten Chor der jungen Mädchen ab, der das Geschehen kommentiert. Auch der Ehemann ist etwas schablonenhaft geraten, allein die Figur der Mutter ist, nicht zuletzt durch die Darstellung Gabi Hifts, glaubwürdig.
Sehr gelungen der fränkische Kunstdialekt, in dem das Stück geschrieben ist, lakonisch, entlarvend und zynisch: „Die hat die Kinder eingepackt und dann aus der Welt hinaus geschafft“, keift eine Nachbarin. „Da hat's nichts Warmes mehr gegeben“, verkündet die selbsternannte Leichenfinderin und meint das verpatzte Mittagessen. Petra Lüschow
„Blitzblutblank“: 11.–13. April, 20.30 Uhr in der Kulturfabrik, Lehrter Straße 35, 1000 Berlin 21
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen