: Hundeleben im Untergrund
■ Wie die BVG mit Kunstrasen, Kau-Snacks und Kalauern ihr Image pflegt: Künstler zeigen im U-Bahnhof Alexanderplatz ihre Werke zum Thema "Hund ist extra"
Mitte. Die müden Neonröhren unter der tiefen Decke lassen die Bilder in keinem guten Licht erscheinen. Einfallslos hängen die Werke an beiden Seiten des Raumes in gleichmäßigem Abstand, immer wieder verdeckt von gelben Waggons. Die Luft ist schlecht, die Geräuschkulisse unglaublich. Trotzdem strömen täglich Tausende durch die Ausstellung „Hund ist extra“, machen die Halle zur „meistbesuchten Galerie der Welt“, wie die Veranstalter behaupten. Aber das liegt sicher auch daran, daß die Eintrittskarte gleichzeitig zur Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln berechtigt und der Ausstellungsraum auch als Haltestelle der U-Bahn-Linie 2 unter dem Alexanderplatz dient.
32 Arbeiten zum Thema Hund hängen dort, wo sonst Reklame gemacht wird. Veranstalter ist die Gruppe „Kunst statt Werbung“ der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst, die damit eine Tradition aus DDR-Zeiten fortsetzt. Vorerst für ein halbes Jahr verzichtet die BVG auf die Werbeeinnahmen, der Senat unterstützt den Wettbewerb mit einem Zuschuß von über 260.000 Mark.
Rinderpansen und Kau-Snacks im Fünferpack
Aus Sicht der Hunde sagen die künstlerischen Assoziationen natürlich weniger über sie als über die Menschen aus. Wer sonst würde auf die Idee kommen, etwas so Ungemütliches wie Kunstrasen herzustellen und ihn auch noch senkrecht an die Wand zu nageln? Oder als Beitrag für eine Hundeausstellung ein verfremdetes Negativfoto von einer Katze abzuliefern? Das Gedenken an die Verblichenen zu einer Collage von Gedenksteinen des Tierfriedhofes Lankwitz zu mißbrauchen („Schön, schnell und stark im Leben, unvergessen im Tod“)? Trostreich mag da sein, daß in der Spiegelleiste, die Kerstin Elisabeth Schröder in ihrem Werk unter sechs Portraits von Schafen angebracht hat, nur für die menschlichen Betrachter davorstehende Hunde erscheinen – aus Hundesicht spiegeln sich darin die Menschen.
Die Bilder sprechen Zweibeiner unterschiedlichsten Charakters an: Der Kalauer-Fan kann sich über Svenja Hehners Geldschein, ein Hunderter natürlich, amüsieren. LyrikerInnen kommen bei Gesine Storck auf ihre Kosten („Durch unsere Träume lief er / stand auf den Plätzen in der Sonne / ganz still / und auf dem großen Bahnstein / auch / ein gelber Hund“). Und ganz Nüchterne rechnen den überdimensionalen Kassenzettel nach, der einen typischen Einkauf vom Rinder-Pansen bis zum 5er- Pack-Kau-Snacks protokolliert.
„Raus aus den Museen, ran an die Leute“, ist nach den Worten von Eva Mendl, Sprecherin der Kulturverwaltung des Senats, das Ziel der Aktion. Die Bilder würden so von Tausenden Menschen gesehen, die sonst um Ausstellungen einen großen Bogen machen. Der Leiter der BVG-Werbeabteilung, Detlef Kuno, hat abgesehen von der üblichen Feststellung („So was könnte ja meine sechsjährige Tochter“) keine negativen Reaktionen erlebt. Trotz der Imagewerbung mit geringem Aufwand und großer Resonanz müsse man aber der BVG die kostenlose Bereitstellung der Werbeflächen immer wieder abringen – ein Akt, der angesichts der wirtschaftlichen Probleme der Verkehrsbetriebe im kommenden Jahr besonders schwer werden dürfte.
Probleme bereiten noch die Personenbeförderungsbedingungen. Die sehen nämlich nur vor, daß sich ein Fahrgast auf schnellstem Weg von A nach B fortbewegt. Ein längerer Aufenthalt sei „nicht statthaft“, mußten zwei taz- Mitarbeiter erfahren, die vom BVG-Gelände verwiesen wurden. Damit Interessierte auch einen Blick auf die Ausstellung werfen können, der länger ist als der U- Bahn-Takt, versprach BVG-Sprecher Wolfgang Göbel eine „differenzierte Anweisung“ an das Personal auf dem Bahnsteig: Wer sich die Hunde anschaut, darf „ausnahmsweise“ länger bleiben. Stefan Niggemeier
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