■ Standbild: Nur lauwarm: Brandheiß: "Verkehr macht frei", Mi., West 3, Hessen 3, N 3, ORB
Brandheiß: „Verkehr macht frei“, Mi., West 3, Hessen 3, N 3, ORB
War eigentlich ganz hübsch, was der WDR da – von der Idee bis zur Ausstrahlung – binnen nur vier Wochen zusammengeschustert hatte. Eine nette, kleine Groteske zum Thema „Verkehrsinfarkt“. Wie bei den Produktionsumständen nicht anders zu erwarten, etwas statisch (ein einziger Drehort, keine Action,) und dialoglastig, aber doch keineswegs die befürchtete „Talkshow als Fernsehspiel“. Statt dessen hatten sich Regisseur Peter Ristau und Autor Michael Klaus eine Reihe von skurrilen Figuren und Boshaftigkeiten einfallen lassen. (Doch, doch, auch die Zuckerli für uns Hobby-Freudianer, das mit dem Besen-Einstielen und den Hotdog-Spießer, haben wir entzückt zur Kenntnis genommen.)
Nur, warum diese Produktionsumstände in diesem Fall sein mußten, blieb mehr als schleierhaft. Schließlich hatte man mit „Brandheiß“ – eigentlich eine Idee vom ORB – doch Großes im Sinn. Nicht weniger als die politische Brisanz des Genres Fernsehspiel wollte man reanimieren. Um dem Dilemma der normalen öffentlich-rechtlichen Produktionszeiten von durchschnittlich zwei Jahren zu entkommen, sollen hier in vier Wochen „Stücke zur Zeit“ entstehen. Statt Filme über sogenannte brisante Themen erst bringen zu können, wenn an den Stammtischen längst wieder um anderes gestritten wird, soll hier mit den Mitteln des Fernsehens, so WDR-Redakteur Martin Wiebel, „direkter und unmittelbarer in das gesellschaftliche Gespräch“ eingegriffen werden. Doch war dieses nette Debut trotz Bonner Vignetten- und Maut-Kapriolen schon vom Thema her nicht sonderlich „heiß“ und ließ die Umsetzung irgendwelcher Thesen, die die Nation hätten in Wallung bringen oder gar spalten können, gänzlich vermissen. So gesehen, eine lauwarme „Brandheiß“- Episode. Das hätte man im Prinzip sowohl genausogut schon vor fünf Jahren drehen können, zumal sich aller Voraussicht nach an dieser Form der „Aktualität“ auch im Jahre 2000 noch nichts geändert haben wird. Also weit und breit wahrlich keine Not, für die kurze Produktionszeit. Sollte die erste der – zunächst vier – geplanten „Brandheiß“-Ausgaben lediglich ein Testlauf gewesen sein, nun gut. Aber wenn aus dem Konzept mehr werden soll als ein sportiver Wettstreit fürs Guinness-Buch, müssen die weiteren Folgen schon mit etwas mehr Zündstoff aufwarten. Reinhard Lüke
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