: Ei, ei, der Schwiegervater!
■ Alle lieben Ostereier, am meisten aber die Salmonellen. Keiner weiß warum, und die Dunkelziffer der Krankheitsfälle ist hoch.
Berlin (taz) – Ostern ist ein idealer Zeitpunkt, Probleme mit nörgelnden Schwiegervätern zu lösen – und zwar möglicherweise endgültig. Man kaufe ein paar Eier – ein ausgesprochen unauffälliges Vorhaben: jedes Durchschnitts-Rentnerpaar aus den alten Bundesländern legte im letzten April 39 Eier in den Einkaufskorb, 10 mehr als zum Beispiel im September; im Osten waren es zwar nur 30, aber immerhin auch 8 mehr als in jedem anderen Monat. Und auch die VersorgerInnen von 4-Personenhaushalten starten durch und schleppen zwischen 37 und 49 Eier nach Hause – je mehr sie im Portemonnaie haben, desto mehr im Kühlschrank.
Halt! Dorthin legen Sie die Eier selbstverständlich nicht! Denn bei 20 bis 40 Grad fühlen sich die Salmonellen am wohlsten, und auf die kommt es Ihnen schließlich an. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der Verpacker schon gute Vorarbeit geleistet hat und die Eier etwas ältlich sind; schließlich muß in Deutschland nicht das Legedatum angegeben werden. Und je älter das Ei, desto geringer ist die keimabtötende Wirkung vom Eiweiß. Haben Sie das Glück, ein verseuchtes Ei erwischt zu haben, hat sich die Zahl der nur 0,002 Millimeter langen Bakterien vermillionenfacht, sobald die Sonne wieder an der gleichen Stelle steht. Das ist wichtig, denn nur eine große Menge führt zum Ziel.
Die Wahrscheinlichkeit, daß Ihre Eier die Lebewesen mit der sehr beweglichen Geißel in sich tragen, ist seit 1986 extrem gestiegen, warum wissen auch die WissenschaftlerInnen nicht so genau. Die Kontrolle der Ställe ist schwierig und bisher gesetzlich nicht vorgeschrieben. Erst eine EG-Richtlinie soll da ab 1994 gewisse Abhilfe schaffen. Aber keine Panik: in den ersten zwei Jahren werden nur die Kükenställe kontrolliert und erst dann will man überlegen, was für die Legehennen sinnvoll wäre. Zur Zeit wird ein Impfstoff aus Dessau getestet; hoffen wir gemeinsam, daß er wirkungslos bleibt.
Ihr Hauptverbündeter jedenfalls trägt den nicht ganz einfachen Namen „Salmonella enteritidis Phagotyp 4“ aus der Familie der Typhuserreger und hat die günstige Eigenschaft, sich nicht nur im Darm der Hennen, sondern auch in deren Eierstöcken anzusiedeln. Die Hennen merken davon nichts, hoffentlich aber Ihr Schwiegervater. Bitten Sie ihn zunächst, ein Ei auszublasen nach guter alter Sitte: an der Schale drängeln sich ihre Helferchen ganz besonders gerne. Der Alte ißt gerne Ei im Glas?! Phantastisch. Denn erst bei einer Kochzeit von fünf bis sieben Minuten und einer Hitze von 70 Grad gehen die Salmonellen zugrunde. Verlangt er ein Spiegelei, braten Sie es auf keinen Fall von beiden Seiten, damit die Salmonellen auch eine reelle Chance haben. Auch eine Portion Tiramisu sollten Sie ihm unbedingt aufdrängen, die Sie möglichst eine Weile im Warmen haben stehen lassen. (Vor dem Servieren können Sie sie unbesorgt im Kühlschrank lagern oder gar einfrieren; Salmonellen vermehren sich bei weniger als 7 Grad zwar nicht weiter, bleiben aber springlebendig.)
Schon wenige Stunden nach dem Verzehr der lukullischen Genüsse zeigt Ihr Schwiegerväterchen hoffentlich die typischen Symptome: Durchfall, Erbrechen, Fieber und Kopfschmerzen. 200.000 Erkrankungen wurden 1992 registriert, weit mehr als im Jahr zuvor. Die Dunkelziffer ist hoch; das Bundesgesundheitsamt rechnet mit einem Faktor zehn, oder sogar hundert. Etwa 200, vorwiegend alte Leute sind im letzten Jahr an Salmonellen gestorben. Annette Jensen
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