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Ost-Metaller werden nicht weich

■ Ostdeutsche Metaller bereiten Streik-Urabstimmung vor / Warnstreikwelle geht nach Ostern weiter / Parallel dazu werden ostdeutsche Arbeitsgerichte mit Klagen gegen Lohnkürzungen überflutet

Berlin (AFP/AP/dpa/taz) – Sowohl in der ostdeutschen Stahlindustrie wie in der Metallbranche stehen alle Zeichen auf Streik. Am kommenden Freitag will die Tarifkommission entscheiden, ob beim Hauptvorstand der IG Metall die Einleitung einer Urabstimmung beantragt wird. IG-Metall-Chef Franz Steinkühler befürchtet wegen der Kündigung der Tarifstufenpläne in der ostdeutschen Metallindustrie das Ende der bisherigen Flächentarifverträge. Am Vortag hatte die IG Metall einen Vorschlag von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) abgelehnt, im ostdeutschen Tarifstreit zweigeteilte Tarifvereinbarungen, bestehend aus einem Standardlohn und einer ertragsabhängigen Komponente, abzuschließen.

Steinkühler betonte die Bereitschaft der IG Metall, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Bei dem bisherigen Arbeitgeberangebot von neun Prozent scheine aber ein Arbeitskampf unvermeidbar. Nach dem einseitig von den Arbeitgebern gekündigten Stufenplan sollten Löhne und Gehälter der ostdeutschen Metaller zum 1. April um 26 Prozent – und damit auf rund 80 Prozent des Westniveaus – steigen. Steinkühler befürchtet, daß nach Ende des Konflikts „in Ostdeutschland ungewollt englische, amerikanische oder italienische Verhältnisse“ herrschen würden. Dann werde es zwar mit vielen Betrieben einzelne Tarifverträge geben, aber nicht mehr einen Flächentarifvertrag. Die Arbeitgeber glaubten derzeit offenbar, daß die schlechte Lage der Ostbetriebe und die hohe Arbeitslosigkeit Punkte seien, „wo man das Brecheisen ansetzen kann, um 40 Jahre Tarifautonomie auszuhebeln“.

Die Protestkundgebungen und Warnstreiks der Metaller wurden am Freitag und über die Osterfeiertage zunächst unterbrochen, sollen aber nach den Feiertagen in allen fünf neuen Bundesländern fortgesetzt werden. Am Donnerstag waren nach Gewerkschaftsangaben wieder mehrere tausend ostdeutsche Metaller auf die Straße gegangen.

Parallel zum ostdeutschen Metallerstreik droht den Arbeitsgerichten in Ostdeutschland derweil eine Prozeßlawine. Allein in Sachsen ist nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit bis zu 100.000 Klagen gegen Lohn- und Gehaltszahlungen unterhalb von 26 Prozent zu rechnen. Der sächsische DGB-Landesvorsitzende Hanjo Lucassen prophezeite ostdeutschen Arbeitsgerichten den „Knock out“: es werde „unweigerlich zum Kollaps“ kommen. Die Klageaktion soll den Angaben zufolge sofort nach Auszahlung der Aprilgehälter beginnen. Wer in seiner Lohntüte weniger als vereinbart finde, müsse den Arbeitgeber schriftlich zur Zahlung des Tarifes auffordern. Dafür hätten DGB und IG Metall Massenvordrucke vorbereitet. Außerdem will die sächsische IG Metall nach Aussage ihres Vorsitzenden Hasso Düvel noch im April eine Verbandsklage gegen die Kündigung des Stufentarifvertrages einreichen.

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