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Eine kurze Geschichte der Feiertage Von Mathias Bröckers

War es nicht wieder ein wunderbarer Ostermontag? Ich frage nur deshalb, weil es schon bald nicht mehr möglich sein könnte, danach zu fragen. Der Ostermontag muß, wie alle anderen Feiertage, als bedrohte Art gelten, und was ihm auf die Pelle rückt, wie allen anderen bedrohten Arten auch, ist das Bruttosozialprodukt. Zu seiner Steigerung, so könnte man die Geschichte ganz simpel zusammenfassen, wurden zuerst die Produkte der natürlichen Evolution, Flora und Fauna, niedergetrampelt und verheizt. Und jetzt, wo dieser „Segen“ unter anderem als tödlicher Bumerang durchs Ozonloch zurückkommt, geht es an die Produkte der kulturellen Evolution. Die Feiertage sollen verheizt werden. Die 800 Millionen Mark Steuern, die dem Staat durch einen arbeitsfreien Tag durch die Lappen gehen, sollen künftig in die Solidar-Scheuer des Gemeinwohls einfahren. Ob dies dem Gemeinwohl allerdings dient, muß füglichst bezweifelt werden.

Die Anthropologie hat zahlreiche Kriterien bereitgestellt, um den Menschen vom Affen zu unterscheiden, vom aufrechten Gang über den Gebrauch von Werkzeugen und Feuer bis hin zum Humor, aber keines markiert den Unterschied deutlicher als der Feiertag. Erst in dem Moment, wo eine Horde Primaten es schafft, die tägliche Jagd nach Futter und Fortpflanzung regelmäßig zu unterbrechen, um nichts zu tun und zu feiern, beginnt menschliche Kultur. So wie erst das Nichts der Nabe, das Loch in der Mitte der Speichen, dem Rad zu seiner Funktion verhilft, so setzt das Nichtstun am Feiertag, das Loch im Rad der Reproduktionszwänge, die Kultur in Gang. Ja, die Menschen werden sich als Menschen erst bewußt, wo sie eben nicht mehr wie die Affen permanent hinter Freß- und Fickgelegenheiten herhecheln müssen.

Wie kann es nur kommen, daß uns über 50.000 Jahre später die Abschaffung von Feiertagen, d. h. die Rückkehr zum Planet der Affen, als politischer Fortschritt und soziale Notwendigkeit verkauft wird?

Den ersten schweren Rückschlag verursachte schon Moses, als er die fröhlichen Ekstasen um das Goldene Kalb (und die auf seinem Dung gedeihenden halluzinogenen Pilze) verbot und den Feiertag unter die Regeln von GOTT stellte. Immerhin, das Nichtstun blieb erhalten, bis Jesus kam, am Sabbat heilte und damit praktisch schon das Ende des Feiertags einläutete: Vom jesuanischen Pragmatismus bis zur Nutzung des Ostermontags zur Staubildung auf der Autobahn ist es trotz der 2.000 Jahre doch nur ein ganz kleiner Schritt.

Und doch ist das Land der Bayern zu preisen für den Erhalt von Mariä Himmelfahrt, Dreikönig und anderer aussterbender Arten. Und es wäre grundfalsch, auch nur einen unserer säkularisierten, sinnentlehrten christlichen Feiertage abzuschaffen, bevor nicht anderweitig Ersatz geschaffen ist. Und bevor es nicht gelingt, die verlorengegangene Fähigkeit zu Feiern, zum statischen Nicht-Tun und zur ekstatischen Überschreitung wiederherzustellen. Was es braucht, wäre eine quasi post-mitscherlischsche „Feierarbeit“. Zuerst aber muß der Kahlschlagswahnsinn in Bonn gestoppt werden – und sei es mit einem Franz-Josefs-Feiertag in Bayern.

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