■ Mit Umweltsteuern auf du und du
: Umweltzertifikate

Umweltzertifikate sind ein schon seit längerem diskutiertes, bislang jedoch kaum angewandtes Instrument der Umweltpolitik. Eine Ausnahme bilden interessanterweise die auf dem Umweltgipfel in Rio stark gescholtenen USA. Dort werden beispielsweise Verschmutzungsrechte zwischen Energieversorgungsunternehmen gehandelt, um die für den sauren Regen verantwortlichen Schwefeldioxidemissionen zu drosseln. Hierzu wurde jedem dieser Kraftwerke zunächst eine bestimmte Menge an Verschmutzungsrechten zugeteilt. In den folgenden Jahren soll deren Gesamtmenge Schritt für Schritt verringert werden – bis die anvisierte Halbierung der Emissionen erreicht ist.

Das eigentlich Neue an diesem Instrument ist, daß die Unternehmen die Zertifikate an einer Umweltbörse handeln können, wodurch je nach Angebot und Nachfrage ein bestimmter Preis entsteht. Wer auf Verschmutzung verzichtet, kann seine Verschmutzungsrechte an der Börse verkaufen: Umweltschutz spart also nicht nur Kosten, sondern wird auch noch belohnt. Der einzelne Verschmutzer kann sich zwischen Verschmutzung trotz hoher Preise und Verzicht auf umweltschädigendes Verhalten entscheiden.

Zweck des Instruments ist letztlich der Verzicht. Die Idee ist einfach: Der Staat verringert Schritt für Schritt das Angebot an Zertifikaten. Dadurch erhöht sich der Preis, und Umweltverschmutzung wird immer unrentabler.

Was aber unterscheidet dieses Instrument von den in Deutschland vorherrschenden Umweltauflagen? Ein entscheidender Vorteil liegt darin, daß sie wirtschaftlich effizienter sind. Indem sie erst Anreize zu ökologischer Produktionsweise geben, werden die volkswirtschaftlichen Kosten des Umweltschutzes minimiert. Gegenüber den zwar wirtschaftlich effizienten Umweltsteuern besticht das Zertifikat dadurch, daß ein anvisierter Standard eher erreicht werden kann. Die Mineralölsteuer ist ein gutes Beispiel: Der Benzinverbrauch hängt letztlich immer vom Verhalten der Verbraucher ab. Wenn die Autofahrer trotz noch so hoher Benzinpreise nicht auf ihre Autos verzichten, dann ist dieses Instrument offensichtlich ökologisch untauglich. Kein Politiker weiß exakt, wie hoch der Benzinpreis sein muß, um eine gerade noch erträgliche Luftverschmutzung zu garantieren. Die Umweltzertifikate können dieser Schwäche jedoch vorbeugen, indem die Höchstzahl der Verschmutzungsrechte vorgegeben wird.

Weshalb hat sich die Zertifikatslösung dennoch bislang nicht durchgesetzt? Zum einen lassen sich Umweltzertifikate nur begrenzt anwenden. So wäre eine Anwendung in manchen Bereichen sehr aufwendig und kostenintensiv. Zum anderen bestehen große Bedenken aus wettbewerbspolitischer Sicht. So könnten finanzkräftige Unternehmen Lizenzen im großen Stil aufkaufen und kleinere Anbieter aus dem Markt drängen. Außerdem wird mancher politischer Entscheidungsträger von der Radikalität dieses Instruments abgeschreckt, zumal moralische Bedenken gegenüber einem Verkauf der Umwelt erhoben werden. Ist es aber wirklich unmoralisch, wenn die Umwelt durch Zertifikate weniger verschmutzt wird? Christian Hockenjos

Teil 6 der dienstäglichen taz-Serie zu Umweltsteuern