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■ Die Awacs-Debatte und die Strategie der UnionWir können auch anders

Nach den Verfassungsrichtern dominieren die Kettenhunde: Kampfflugzeuge der Bundeswehr nach Bosnien, deutsche Teilnahme an Bombardements serbischer Stellungen – es sind längst nicht mehr nur die Hinterbänkler der Union, die die Karlsruher Eilentscheidung in Sachen Awacs ihrer martialischen Lesart unterziehen. Natürlich könnte die Unionsspitze die militanten Scharfmacher aus der Fraktion zur Räson bringen – aber warum eigentlich. Der Unterschied zwischen Würzbach und Schäuble liegt schließlich nur darin, daß der eine bereits heute einfordert, was dem anderen prinzipiell als möglich erscheint. Beides gehört zur aktuellen Strategie der Union. Das um Nuancen moderatere Gehabe von Kanzleramtsminister Bohl soll Reste politischen Verantwortungsbewußtseins signalisieren. Ansonsten gilt: Wir können auch anders.

Das aber gilt – noch vor den ersten militärischen Gegnern – den Karlsruher Richtern. Es ist schon eine Ironie ganz besonderer Art, daß ausgerechnet der Spruch des Verfassungsgerichts die Schleusen für eine Debatte geöffnet hat, in der die Restriktionen der Verfassung von Tag zu Tag irrelevanter werden. Das jedoch haben die Verfassungsrichter selbst präjudiziert: So weit ließen sie sich bei ihrer „vorläufigen“ Entscheidung auf die politischen Befürchtungen der Bundesregierung ein, daß sie am Ende ihre juristischen Vorbehalte gering veranschlagten. Diese Tendenz schreiben jetzt die Unions-Politiker in eigener Regie fort. Das Karlsruher Urteil bedeutet faktisch einen Abschied von der überkommenen Verfassungspraxis. Als solcher wird es von der Union gefeiert. Schon steht ein neuer Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Somalia bevor, mit dem die „Vorläufigkeit“ des Awacs-Spruches vollends ad absurdum geführt würde. Eher unwahrscheinlich, daß die Richter, die ihre erste Entscheidung politisch begründet haben, sich am Ende doch noch zutrauen, die von ihnen in Gang gesetzte Dynamik mit juristischen Argumenten wieder einzugrenzen.

Damit ist zugleich das Dilemma der SPD beschrieben. Denn ihre Hoffnung auf eine Begrenzung militärischer Handlungsfreiheit gründet einzig noch auf dem zweideutigen Verfassungstext und der Standhaftigkeit seiner höchsten Interpreten. Will sie in Sachen Bundeswehreinsätze politisch noch mitentscheiden, wird sie jetzt ein Angebot machen müssen – unterhalb der Unions-Träume aber oberhalb ihres Blauhelm- Beschlusses: deutsche Beteiligung auch an militärischen Einsätzen unter UN-Kommando, gebunden an eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages. Andernfalls wird die heroische Defensive der SPD wie im Asylstreit enden: in der bedingungslosen Übergabe. Matthias Geis

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