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Räuber und Radios

■ Die zwölfte Ausstellung der Hamburg Stipendiaten auf Kampnagel / Zitathaftes und Politisches steht im Vordergrund

auf Kampnagel / Zitathaftes und Politisches steht im Vordergrund

Die düsteren Wolken um die diesjährige Auswahl der Hamburg- Stipendiaten haben sich verzogen und die Kulturbehörde kann stolz die acht Künstlerinnen und zwei Künstler des zwölften Jahrgangs 1992 in K3 präsentieren. Als Vorwort im Katalog gibt der damalige Juryvorsitzende, der Galerist Michael Hauptmann, nur einen einzigen Satz von Paul Valery zu bedenken: „Das ausschließliche Gefallen am Neuen bedeutet einen Verfall des kritischen Verstandes.“ Neu ist ein ziemlich relativer Begriff in den Zeiten, in denen die Methoden der Moderne in manieristischer Weise alle zugleich zur Verfügung stehen.

Von einem erklärten Nachwuchs-Stipendium wird also weniger ganz Neues, eher neu Gesehenes zu erwarten sein. Unter Nutzung bekannter Techniken wie Zitat und Multiplikation macht Birgit Meyer einen Rundtisch mit weißer Plastikdecke zur Raumplastik. Zitat und Verfremdung auch bei Anne Berning. Ihre Ölbilder feiern die Triumphe der Malerei und konterkarrieren sie im selben Augenblick: alleiniges Bildthema sind die Buchrücken und Einbände der vermittelnden Kunstbücher.

Auffällig an der Ausstellung ist eine Zunahme politischer Positionen. Birgit Reeck alias Susi Mahacke kombiniert zahlreiche quadratische Acryltafeln zu einem übergroßen Memory-Spiel. Dabei kontrastiert sie Kinderlieder mit Ölbohrtürmen, Schatzkisten mit Knochenstühlen. Die Landkarte der EG ist dem Bild „Lustig ist das Zigeunerleben“ zugeordnet, der Umriß Jugoslawiens einem auf dem Meer ausgesetzten Wickelkind: „Lustig ist der Bastard“.

Der Rechtsruck in Paris hat die gebürtige Französin Natalie David dazu bewegt, ihre Arbeit „Ventilator“ von 1987 wieder zu zeigen. Drei dreschflegelartige Winkel und das Schriftband „immer wieder geht die Sonne auf“ sind leicht zu Teilen einer Hakenkreuz-Wiederkehr zusammenzudenken. Dazu reflektieren Wandzeitungen und Ideogramme ihren China-Aufenthalt. Kunst, die zu denken geben soll, auch wenn eine verbindliche künstlerische Form noch fehlt.

Ums Geld geht's bei Susanne Loehr. Sie arbeitet mit den Bildern des täglichen Fernsehspiels: andauernd und life zeichnen die Kameras in Supermärkten und Banken das Leben auf, in Sonderfällen auch die Raubaktionen. 28 maskierte Bankräuber aus den Jahren 1990-91 sind die Stars ihrer buchbinderisch edel gefassten Foto-Edition. Dazu gehört ein inszeniertes Video-Interview mit einem einsitzenden Raub- Profi, das am 1. Mai in der Ausstellung Premiere hat.

In einfachen Schwämmen verbergen sich die zufallsgeschalteten Radios von Christian Terstegge. Seine audio-visuellen Objekte übertragen Chaosforschung in sinnlich minimalistische Inszenierungen. Mediales Rauschen steht am Anfang und am Ende der Informationsgesellschaft, für die er das Röhrenradio zur Ikone erhebt: eingestaubt, gefesselt, versponnen ehrt er modellhaft in 21 schwarzen Kästen das vorm Sperrmüll gerettete Altgerät, durch das in 40 Jahren soviel Ton gekommen ist, daß diese Hommage nur noch stumm sein kann. Hajo Schiff

K3, bis 9. 5., täglich, außer Mo, 16-20 Uhr. Katalog 20 DM.

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