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Normalhörig

■ betr.: "CDU - FDP - GAL unisono gegen Schulversuch", taz vom 31.3.93

Betr.: „CDU - FDP - GAL

unisono gegen Schulversuch“,

31. 3. 1993

Der o.a. Artikel enthält einige Unrichtigkeiten, die nicht unwidersprochen bleiben können. In der vorletzten Columne wird Herr Dr. Prillwitz mit folgenden Behauptungen zitiert:

1. „Die Implantation von Mikrochips im Ohr sei eine sehr umstrittene Sache, für Kleinkinder auch gefährlich.“ Mit Mikrochips ist vermutlich das künstliche Innenohr (Cochlear Implant, Abk. C.I.) gemeint, das vollkommen tauben Menschen ermöglicht, wieder zu hören. DIe Methodik ist tatsächlich früher einmal umstritten gewesen. Offenbar hat Herr Prof. Prillwitz aber die Entwicklung der letzten Jahre nicht verfolgt. Inzwischen ist klar, daß Kinder mit einem solchen C.I. sogar ein offenes Sprachverständnis erreichen können. Weshalb die Methode gefährlich sein soll, bleibt Allen, die mit der Methode vertraut sind, ein Rätsel.

2. „Selbst bei erfolgreichem Einsatz ermögliche es nur Höreindrücke, keine Sprache.“ Also gibt es doch einen erfolgreichen Einsatz! Daß dieser nur Höreindrücke vermittle, aber keine Sprache, ist unrichtig (s.o.). Richtig ist, daß nicht nur Sprache verstanden werden kann sondern auch Genuß an Musik wieder möglich ist, und zwar nicht nur an Rhythmus sondern auch an Harmonien bzw. Melodien. Allerdings wird man mit einem C.I. nicht normalhörig. Auch mit einem konventionellen Hörgerät wird man nicht normalhörig. Niemand käme aber deshalb auf die Idee zu sagen, Hörgeräte seien umstritten oder gefährlich.

3. „Gerade hier könne die Gebärdensprache sehr von Nutzen sein, um den Kindern die Geräusche zu erklären.“ Offenbar hat Herr Prof. Prillwitz keine aktuellen Erfahrungen im Umgang mit C.I.- Kindern. Die übliche Methode ist, die lautsprachliche Erziehung ggf. in Verbindung mit Lautsprachbegleitender Gebärde. Das hat mit der Deutschen Gebärdensprache (DGS) nichts zu tun.

Insgesamt entsteht der Eindruck, daß Herr Prof. Prillwitz, wenn er denn die Dinge so geschildert hat, wie es in Ihrer Zeitung steht, aus welchem Grund auch immer den gegenwärtigen wissenschaftlichen Standard zur Behandlung tauber oder ertaubter Kinder nicht zur Kenntnis nehmen will.

(...) Mit freundlichen Grüßen Prof. v. Scheel

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