Tütenbauen auf der Sögestraße

■ Öffentliches Kiffen legalisieren? / Probleme eines Schatzmeisters, Joints zu finanzieren

Tütenbauen auf der Sögestraße

Öffentliches Kiffen legalisieren? / Probleme eines Schatzmeisters, Joints zu finanzieren

„Kein Knast für Hasch!“ Mit dieser bewährten Parole wollen heute Mittag Bremer JungdemokratInnen und LandesschülerInnenvertreter aus Schleswig-Holstein für eine Legalisierung des Drogenkonsums auf die Sögestraße gehen. Und damit ihr Infostand Beachtung findet, kündigten sie an, zwischen zwölf und ein Uhr Joints an Passanten zu verteilen und bieten obendrein eine Einführung in die hohe Kunst des Tütenrollens an.

Nur: Ist auch Haschisch drin, wo Haschisch draufsteht? „Wir wollen die Leute natürlich nicht verarschen“, erklärt der drogenpolitische Srecher des Jungdemokraten-Landesverbands, Lambert Heller, andererseits habe es aber wenig Sinn, wenn für die Aktion sämtliche 10 bis 15 Beteiligten „in den Knast gehen müßten“.

Wenn sie tun, was sie angekündigt haben, erwartet sie jedoch genau das, wie die Pressestelle des Senats für Inneres kurz und bündig verlauten ließ. Ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz wird als ein solcher geahndet, punktum, was bedeutet: Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren oder Geldstrafe nach Paragraph 29 StBG.

Wenn Haschisch drin ist. Daß dem so ist, ist durchaus zweifelhaft, denn: „Natürlich können wir nicht mal eben 1000 Mark in Haschisch anlegen“, muß Heller zugeben. Da habe der Schatzmeister rebelliert. Für die Verwendung von Geldern aus öffentlicher Hand muß zudem genauestens Rechenschaft abgelegt werden, wobei sich der Haschischeinkauf gegen Quittung schwierig gestaltet. „Spendengelder“, deutet Heller geheimnisvoll an. Die müßten reichlich fließen, wollen die Aktionisten ihr „Versprechen“, die BremerInnen ordentlich freizuhalten, einlösen: Das Gramm Haschisch kostet im Straßenhandel an die 20 Mark und reicht für zwei bis drei „Dreiblattjoints“, wie Eingeweihte wissen.

Dann also Attrappen? Den gewünschten Effekt, nämlich mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, zur Diskussion anzuregen und ein wenig zu provozieren, könne man ja auch mit „Modellen“ erzielen, läßt Heller durchblicken. Auf jeden Fall ist man vorbereitet und will sich nicht mit „echten Drogen“ erwischen lassen, wenn die Polizei kommt, womit man natürlich rechnen müsse. Merve Pagenhardt, Pressesprecherin des Innensenators, erklärt: Wenn Verdacht besteht, werden die Delinquenten auf jeden Fall zur Festellung des Tatbestandes zunächst mit aufs Revier genommen; und bis dort alles abgewickelt wird, ist der Nachmittag ohnehin vorüber und die Aktion gestorben. Es sei denn, es wird kenntlich gemacht, daß es sich „nicht um Canabis-Produkte“ handelt, sondern beispielsweise „mit Kaffeekrümeln“ Joints gedreht werden. Was der Aktion viel von ihrer öffentlichen Wirkung rauben würde.

Über ebendiese öffentliche Wirkung gehen die Meinungen auseinander. Die Initiatoren selbst wollen deutlich machen, „wie normal Haschischkonsum ist“, nicht nur unter „langhaarigen Klischee- Kiffern“, und die Ungefährlichkeit der weichen Droge Hasch demonstrieren. Hauptsächlich wollen sie jedoch Aufmerksamkeit auf die drogenpolitischen Forderungen der, nach Hellers Selbsteinschätzung, „links von den Grünen“ stehenden JungdemokratInnen lenken. Diese beinhalten neben der generellen Legalisierung auch ein Werbeverbot für alle Drogen einschließlich Alkohol und Zigaretten sowie kontrollierte Abgabestellen. Ein Beteiligter gibt zwar zu, daß darin ein gewisser Widerspruch zum großankündigten Haschverschenken lauert, aber: „In so einer Situation geht's nicht ohne Brüche“, wenn man Aufsehen erregen will.

Gerade „Werbung für Drogen“ sehen jedoch viele in der Aktion, wie Rolf Bösche von der Selbsthilfeorganisation für Drogenabhängige JES: Er schätzt sie deshalb „nicht unbedingt positiv“ ein, obwohl er öffentliche Aktionen für Drogenlegalisierung allgemein gutheißt. Die Drogenhilfe Bremen e.V. hält überhaupt nichts von alledem, und seitens der städtischen Drogenberatung findet man die „Propagierung von Suchtmitteln in dieser drogenüberfüllten Gesellschaft“ auch nicht gut. Schlicht „Unsinn“ meint schließlich Gus van der Upwich, Drogenbeauftragter des Landes Bremen, dazu.

Bleibt abzuwarten, wie die Passanten selbst reagieren. Die Frage, was mit dem Hasch passiert, wenn es niemand haben will, muß offen bleiben. Gemessen an der ihr zuteil gewordenen Aufmerksamkeit ist die Aktion jedenfalls bemerkenswert erfolgreich. Alle, alle, haben schon davon gehört.

Die Junge Union zum Beispiel brachte umgehend eine Presseerklärung in Umlauf, in der die Jungdemokraten, weil sie „Bremens Ruf als Drogenmekka stärken“, „aufs schärfste“ verurteilt werden. Michael Glintenkamp als innenpolitischer Sprecher erinnert nachdrücklich Polizei und Justizbehörden an ihre Pflichten, sollten die Jungdemokraten tatsächlich „im Rahmen einer PR-Aktion strafbare Handlungen begehen“. Und man sagt, die Bildzeitung kommt auch.

Gestern nachmittag gab das Stadtamt das Verbot dieser Veranstaltung bekannt und kündigte scharfe Überwachung an. sr