piwik no script img

Mit Moskitonetz und Impfpaß unterwegs

Diarrhöe, Malaria und Hepatitis sind die häufigsten Tropenkrankheiten. Mit Vorbeugemaßnahmen können sich Tropen-Touristen vor dem Schlimmsten schützen  ■ Von Manfred Kriener

Jeder zweite Tourist, der ein tropisches oder subtropisches Land besucht, fühlt sich während des Aufenthalts krank. Malaria und Hepatitis, vor allem aber Durchfallerkrankungen plagen die Reisenden. Auf dem Zweiten Deutschen Kongreß für Infektions- und Tropenmedizin in Berlin wurden die wichtigsten Risikofaktoren benannt und Vorbeugemaßnahmen empfohlen. Mit Impfschutz, Moskitonetz und vernünftiger Ernährung läßt sich das Schlimmste verhüten.

„Montezumas Rache“ kann bekanntlich schrecklich sein. Mit diesem spöttischen Begriff wird die häufigste aller Reisekrankheiten umschrieben, die Diarrhöe. Von 3.696 Reisenden in die Tropen und Subtropen, die von den Tropenmedizinern der Universität Wien beobachtet wurden, litten nicht weniger als 47,6 Prozent während der Sommermonate an dieser Durchfallerkrankung. In den Wintermonaten, wenn weniger verderbliche Lebensmittel im Umlauf sind, wurden immer noch 38,9 Prozent registriert. Die wichtigsten Symptome: wäßrige Stühle, Erbrechen, Fieber, Bauchschmerzen. Die Medizinstatistik ist detailreich: Nach 3,1 und 3,7 Tagen war der Spuk in der Regel vorüber, die Frequenz der täglichen Stuhlgänge wurde auf 3,6 bis 4,4 beziffert. Die Inkubationszeit liegt im Stundenbereich. Der Anfang der zweiten Woche ist die kritischste Zeit für den Ausbruch der Diarrhöe.

Als Hochrisikogebiete gelten Ostafrika, der Nahe und Mittlere Osten. Junge Reisende unter 30 erkranken häufiger als alte, dicke signifikant seltener als dünne. Für das zweite Phänomen gibt es bis heute keine vernünftige Erklärung, für das erste werden die Unvorsichtigkeit jüngerer Menschen und ihr größerer Appetit verantwortlich gemacht.

Womit wir bei den Ursachen wären. Der wichtigste Feind heißt Escherichia coli, ein Bakterium, das die menschlichen Eingeweide als ideale Vermehrungsstätte liebgewonnen hat und in 50 Prozent aller Fälle der hauptsächliche Krankheitserreger ist. Über Wasser und Nahrungsmittel wird dieser Darmparasit übertragen. Daneben gibt es weitere Bakterien und Viren, die den Menschen gerne als Brutstätte benutzen. Dazu gehören Salmonellen, Shigellen, Rota- und Norwalkviren, Campylobacter jejuni und andere anhängliche Mikroben.

Wichtigste Präventionsmaßnahme ist die Nahrungsmittelhygiene. Leitungswasser, unpasteurisierte Milch und Milchprodukte, Eis, Eiswürfel (!), Salate, ungeschälte Früchte, rohes Fleisch und roher Fisch stehen auf dem Index. Ansonsten heißt die Parole: „Koch es – oder vergiß es“. Das gilt vor allem für Leitungswasser.

Als Behandlung wird die medikamentöse Bekämpfung des Erregers empfohlen. Den muß man allerdings erst mal kennen. Auch sekretionshemmende Arzneien sind angezeigt. Noch wichtiger aber ist der Ausgleich des Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes. „Normolyt-Granulat“ heißt eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Mischung, die in einem Liter Wasser aufzulösen ist. Als Alternative wird für den Notfall folgende Rezeptur empfohlen: ein gestrichener Kaffeelöffel Salz, ein Eßlöffel Zucker, ein halber Liter Orangensaft und ein halber Liter Mineralwasser.

Wegen der starken Tendenz zur Selbstheilung binnen vier Tagen ist ein Einsatz von Antibiotika unnötig. Ein milder Verlauf der Erkrankung und Spontanheilungen innerhalb von 24 Stunden sind durchaus üblich, sagte der Zürcher Epidemiologe Robert Steffen. Antibiotika sollten deshalb nur bei blutigen Durchfällen verabreicht werden, die relativ selten vorkommen.

Während die Durchfallerkrankungen für die Europäer meist nur eine vorübergehende Unpäßlichkeit bedeuten, bringen sie den Kindern Afrikas den Tod. Die schwedische Forscherin Ann-Marie Svennerholm bezifferte die Zahl der Kinder, die jährlich in den Tropen an Durchfallerkrankungen sterben, auf 10 bis 20 Millionen. Damit gehört die Diarrhöe zu den „gigantischen Gesundheitsproblemen der Welt“. Die Impfstoffentwicklung hat, wie Svennerholm berichtete, in den letzten Jahren gute Fortschritte gemacht. Die Tests einer Anti-Diarrhöe-Vakzine an schwedischen Freiwilligen seien „erfolgversprechend“, mit einer Antikörper-Antwort von 80 bis 90 Prozent. Selbst wenn der Impfstoff nur eine 80prozentige Wirksamkeit habe, könnten damit, so die Hochrechnung der schwedischen Referentin, 400 Millionen Diarrhöe-Erkrankungen vermieden werden. Die Tests werden in diesem Jahr fortgesetzt.

Malaria: Wenn die Mücke zum Elefanten wird

Die Malaria gehört nach wie vor zu den häufigsten Tropenkrankheiten. Die globale Malariasituation hat sich laut WHO in den letzten 15 Jahren wenig gebessert, in verschiedenen Regionen sogar verschlechtert. Die WHO nennt Botswana, Ruanda, Swasiland, Sambia und Madagaskar als jene Länder, in denen es in den letzten Jahren nach starken Regenfällen und der explosionsartigen Vermehrung der Anopheles-Mücken zu Epidemien gekommen ist.

Die weiblichen Mücken übertragen durch den Stich winzige Parasiten, die für die Erkrankung verantwortlich sind. Typische Symptome: Kopf- und Muskelschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Schüttelfrost und starkes Schwitzen. Nach Ausbruch der Erkrankung kann eine unbehandelte Malaria in wenigen Tagen durch Nieren- und Leberversagen tödlich verlaufen.

Wichtigster Grund für die Ausbreitung der Malaria sind die Resistenzen. Jahrelanger Einsatz von Insektiziden hat zu Anpassungsprozessen der Mücken geführt, die Erfolgsquote der chemischen Bekämpfung wird immer kleiner. Auch die Erreger selbst werden gegen die Medikation zunehmend resistent. Chloroquin, Proguanil und Mefloquin sind die häufigsten Malaria-Medikamente. Gegen Chloroquin bestehen allerdings im südlichen Afrika, in weiten Teilen Südostasiens und im Amazonasbecken Lateinamerikas zunehmend Resistenzen.

Ohne medikamentöse Prophylaxe liegt das Malaria-Risiko für Reisende in Westafrika bei 2,5 Prozent, in Ostafrika bei 1,5 Prozent. Robert Steffen hatte einen anschaulichen Vergleich parat: Von fünf vollbesetzen Jumbo-Jets mit Afrika-Touristen „werden etwa 60 erkranken, einer wird sterben“.

Wichtigster Schutz sind Fliegengitter und Moskitonetze. Da die Mücken nachtaktiv sind, ist der nächtliche Aufenthalt im Freien besonders riskant. Eine Prophylaxe mit Arzneimitteln wurde von dem Berliner Arzt Thomas Weinke dringend angeraten. Es gebe zwar keinen 100prozentigen Schutz, aber das Risiko könne deutlich gesenkt werden. Einschlägige Studien berichten von einer 90prozentigen Wirksamkeit. Die Nebenwirkungen der verschiedenen Präparate sind allerdings nicht zu unterschätzen: Neuropsychische Ausfälle, Krämpfe, Psychosen und epileptische Anfälle werden mit einer Rate von 1:12.000 berichtet. Das Medikament „Fansidar“ hat in den USA sogar zu mehreren Todesfällen geführt, wird aber immer noch verschrieben.

Bei selbstorganisierten Reisen vertrauen inzwischen 80 bis 90 Prozent auf die Prophylaxe, bei Pauschalreisenden sogar 99 Prozent. Als „selbstverständlich“ für Tropenreisende wurde von Weinke auch das Auffrischen der Tetanus-, Polio- und Diphterie-Impfung empfohlen. Besonders wichtig ist die Impfung gegen Hepatitis A, die sicher und wirksam sei. Zu einer Hepatitis B-Impfung wird nur bei längeren Aufenthalten geraten. Von 7.790 Tropen-Touristen erkrankte zwar kein einziger, aber von 97 deutschen Langzeitarbeitern in Afrika infizierten sich zwei mit Hepatitis B. Impfungen gegen Gelbfieber werden von den Risiko-Ländern zwingend vorgeschrieben. Typhus-Impfungen werden heute nur noch „Abenteuertouristen“ empfohlen, die sich schlechten hygienischen Bedingungen aussetzen, und Reisenden auf dem indischen Subkontinent. Auch eine Cholera-Impfung ist – trotz neuer Epidemien – für die meisten Reisenden unnötig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen