: Neue Kunst: Schöner rosten
Der Wert moderner Kunst ist schwierig zu bemessen, da wird in Hamburg anscheinend ebenso mit Bewertungsmaßstäben gekämpft, wie anderorts. Oder wie sonst darf man einen Bericht der „Welt am Sonntag“ verstehen, nach dem wertvolle Kunstwerke auf dem Kampnagelgelände verkommen?
So wurde gestern bekannt, daß die orangefarbene Tunnelplastik des Bochumer Kunstprofessors Friedrich Gräsel jetzt ganz organisch in einer Ecke der Theaterfabrik verrottet, in der ansonsten nur Müll steht, der eindeutig als solcher identifiziert wurde und bei dem es sich mit Sicherheit nicht um Kunst handelt. Weithin leuchtend hatte die überdimensionierte Handschelle 19 Jahre lang den Aufgang zum Kunsthaus markiert, bevor sie die Verwitterung ereilte. Und damit nicht genug, wenige Meter weiter rostet die — ebenfalls 1973 vor dem Kunsthaus aufgestellte — Stahlplastik Kugel im Kubus des Hamburger Bildhauers Hansdieter Schrader still und leise vor sich hin. Und zwischen den Granitblöcken des Steinbildhauers Ulrich Rückriem wuchert derweilen üppig Unkraut.
Der Sammlerwert der Objekte dürfte in die Hunderttausende gehen, wird geschätzt, trotzdem hat man die drei Werke, die ja nun kaum zu übersehen sind, auf Kampnagel wohl einfach vergessen. Schuld an der peinlichen Gedächtnislücke hat selbstverständlich niemand. Der Sprecher der Kulturbehörde, Rolf Schmidt-Henkel, erklärte auf Anfrage, man sei davon ausgegangen, daß die Werke durch Planen uneinsehbar und unzugehbar gemacht worden seien und äußerte die tiefe Einsicht, daß die jetzige Lagerung unbefriedigend sei. Was soll er auch sonst sagen. dpa/taz
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