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Gemüse mit Familienanschluß

■ Naturkost-Umschüler wollen mehr über die Zwiebel wissen

Menschen, die im Laden – sagen wir – Zwiebeln verkaufen, gibt es reichlich. Und sicherlich sind darunter auch solche, die im Laufe der Zeit ein Interesse an den Knollen entwickelt haben, das übers Gewicht oder die Einkaufspreise hinausgeht. Wer aber schon in seiner Ausbildung die Chance bekommen will, einen persönlichen Kontakt zum Gemüse aufzubauen, findet nur wenig Angebote. Der Umschulungslehrgang zur Kauffrau oder zum Kaufmann im Einzelhandel Naturkost bietet eine solche Möglichkeit: den Zwiebeln, die man später verkauft, beim Wachsen und Gedeihen zuzusehen und sie selbst zu ernten.

Vor sieben Jahren rief das „Forum Berufsbildung“ einen Lehrgang ins Leben, der die Ausbildung zum Verkäufer mit den Grundlagen der Naturkost kombiniert – den ersten in Deutschland. Im Gegensatz zur Industrie- und Handelskammer, die in ihrer Prüfung den Schwerpunkt auf die Betriebswirtschaft legt, wird darin die Fachkunde betont. „Unsere Schüler lernen das ganze Sortiment eines Naturkostladens kennen“, sagt Geschäftsführer Helmut Riethmüller. Es geht um den Aufbau einer Käsetheke und ökologische Landwirtschaft, freiverkäufliche Arzneimittel und verträgliche Waschmittel. „Was sind umweltfreundliche Produkte, und inwieweit sind sie wirklich umweltfreundlich?“ hießen Fragen, die im Mittelpunkt stehen.

Der zweijährige Lehrgang schließt zehn Monate Praktikum in einem Naturkostfachgeschäft ein, doch auch der theoretische Unterricht soll mit Exkursionen, Besichtigungen und Arbeit auf einem Bauernhof so praxisnah wie möglich gestaltet werden. Das fachliche Interesse der SchülerInnen sei größer als bei anderen Ausbildungen, meint Helmut Riethmüller. Immer wieder nachgefragt: Wo die Gemüse, Früchte, Nahrungsmittel herkämen? Welche Rolle Naturkost und der Handel damit künftig spielen?

Einige Absolventen vergangener Jahre haben bereits eigene Kleinbetriebe gegründet. Und auch für die anderen sind die Berufsaussichten gut: Nach dem Boom der vergangenen Jahre habe sich die Naturkost-Branche zwar beruhigt, sagt Riethmüller. Der Bedarf an qualifizierten MitarbeiterInnen in den rund 1.500 Naturkost-Fachgeschäften und 50 Großhandelsunternehmen steige jedoch nach wie vor.

Nach den Worten Riethmüllers interessieren sich für die Umschulung viele Menschen aus sozialen Berufen sowie frühere VerkäuferInnen aus dem Einzelhandel. Sie wollen Produkte verkaufen, hinter denen sie stehen können. Wer sich um einen der jährlich 20 Umschulungsplätze bewerbe – so Riethmüller – müsse sich aber auch darüber im klaren sein: daß der Beruf mehr Engagement verlange als die Arbeit in einem Supermarkt. nig

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