: Eine "sehr sympathische" Präsentation
■ IOC-Prüfungskommission zeigt sich beim Berlin-Besuch angetan von den Olympiakritikern und irritiert vom Zustand der Sportstätten / Deutsches IOC-Mitgleid Thomas Bach beurteilt Chancen skeptisch
Berlin. Der erste Eindruck, den der Vorsitzende der Prüfungskommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Gunnar Ericsson, von der Bewerberstadt Berlin gewann, war ausgesprochen positiv. „Sehr sympathisch“ fand er die Ausführungen der sportpolitischen Sprecherin des Bündnis 90/ Grüne, Judith Demba, zu den Olympiaplänen der Stadt. Dabei war das, was ihm die Grünen-Politikerin zu sagen hatte, kaum dazu angetan, ihn für das Berliner Vorhaben einzunehmen. Eine Stunde lang machte sie dem Schweden am Samstag morgen deutlich, daß Olympia 2000 „finanziell und organisatorisch nicht machbar“ sei.
Nach dem Gespräch hatte sie den Eindruck, „daß Ericsson die Position der Anti-Olympia-Koordination verstanden hat“. Der versprach denn auch, daß er „alle Bedenken der Kritiker“ ernst nehme, er wollte sich jedoch nicht von den jüngsten Anschlägen radikaler Olympia-Gegner beeindrucken lassen. Er sei, so Ericsson, Demokrat. „Warum sollte ich Angst haben?“ Demba versicherte nicht nur ihm, „daß wir gegen jede Gewalt sind“, doch ansonsten waren Sicherheitsfragen und die gestrige Demonstration kein Thema für die beiden.
Die samstägliche Runde in den Räumen der Olympia GmbH, an der neben Demba und Ericsson der PDS-Abgeordnete Harald Wolf sowie der Chef der Olympia GmbH, Axel Nawrocki, und der NOK-Präsident Walter Tröger teilnahmen, war auf Wunsch der Olympia-Gegner zustandegekommen. Sie bildete den überraschenden Auftakt zu einer ganzen Reihe von Gesprächen, Empfängen und Besichtigungen, die Ericsson und seine zehnköpfige Prüfercrew bis zum kommenden Mittwoch zu absolvieren haben. Ihre Eindrücke werden sie in einem Bericht zusammenfassen, den sie, wie auch ihre Expertisen über die übrigen Bewerberstädte, noch im Sommer dem Exekutivkomitee des IOC vorlegen werden. Diese Prüfberichte gelten als wichtige Grundlage für die Entscheidung über den Austragungsort der Spiele 2000, die das Komitee am 23. September fällen wird.
Deshalb zeigte sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen demonstrativ optimistisch, als er zum Auftakt der IOC- Visite – und noch vor der Zusammenkunft von Demba und Ericsson – erklärte: „Berlin hat an diesem Wochenende die große Chance, sich gegenüber der Welt ins rechte Licht zu setzen.“ Ins rechte Licht setzte er die IOC-Prüfer am Samstag abend mit einem Empfang im Schloß Charlottenburg, bei dem es umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen und Absperrungen gab, und am gestrigen Sonntag mit einem Besuch im Austragungsort der Segelwettbewerbe Rostock-Warnemünde – just zu der Zeit, als in der Berliner Innenstadt Tausende gegen Olympia 2000 auf die Straße gingen.
Gestern morgen machte sich die Delegation auf den Weg zur Galopprennbahn Hoppegarten, wo die Wettbewerbe der Springreiter stattfinden sollen. Dort erregten vor allem die nach wie vor ungeklärten Besitzverhältnisse das Interesse der IOC-Prüfer. Auf drängende Nachfragen, insbesondere Ericssons, versicherte Nawrocki, daß es eine rechtzeitige und saubere Lösung des Konfliktes um das strittige Eigentum zwischen dem Land Brandenburg, dem Kölner Union-Club und der Treuhand geben werde.
Heute abend wird die Delegation im Schloß Bellevue von Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Bundesinnenminister Rudolf Seiters empfangen. Um dem Eindruck mangelnder Rückendeckung durch den Bund entgegenzutreten, hatte das Bundeskanzleramt am Samstag verlauten lassen, daß Kohl dabei bleibe, „unter den genannten Bedingungen Olympische Spiele in Berlin zu unterstützen“. Diese Bedingungen besagen vor allem, daß der Bund nur olympische Investitionskosten mitträgt, die unabhängig von den Spielen anfallen würden.
Nicht nur wegen dieser Zurückhaltung beurteilte das deutsche IOC-Mitglied Thomas Bach gestern die Chancen skeptisch. Die Stadt Berlin sei in einem schwierigen Wettbewerb. Sie leiste zwar mittlerweile gute Arbeit, so Thomas Bach gegenüber dem RIAS, jedoch spreche die politische Großwetterlage nicht gerade für Deutschland. Auch sei der Zustand der Sportstätten derzeit „nicht der beste“. dr
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