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Butterweiches Gelaber-betr.: "Schlechte Erinnerungen" (Die polizeilichen Todesschüsse in Frankreich), Kommentar von Edwy Plenel, taz vom 10.4.93

betr.: „Schlechte Erinnerungen“ (Die polizeilichen Todesschüsse in Frankreich), Kommentar von Edwy Plenel, taz vom 10.4.93

Angesichts des guten Artikels von Bettina Kaps finde ich es doch sehr erstaunlich, daß Ihr als Kommentar dann solch butterweiches Gelaber abdruckt, das noch nicht einmal mehr als liberal, sondern nur noch als verharmlosend bezeichnet werden kann. Jeder nur halbwegs demokratisch denkende Mensch muß doch in einer Serie von polizeilichen Morden an Jugendlichen in einem angeblich demokratischen Staat mehr sehen als „ein ernstzunehmendes Warnsignal“ oder gar einen „Ausrutscher“.

Ich kann nicht behaupten, daß es mir an einem festgefügten Feindbild in bezug auf die deutsche Polizei mangelt, aber daß so etwas hier passieren könnte, liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft. Ich weiß, daß auch hier insbesondere EinwanderInnen auf Polizeirevieren mißhandelt werden; von kaltblütig Erschossenen ist mir allerdings nichts bekannt. Auch hier kommen Menschen bei Polizeieinsätzen ums Leben wie der Jugendliche, der in Sachsen-Anhalt „auf der Flucht erschossen“ wurde. Trotzdem scheint mir Frankreich im Augenblick deutlich näher an türkischen, latein- oder US-amerikanischen Zuständen. [...]

Mir jedenfalls fällt es schwer zu verstehen, daß die Polizisten eines Landes, das in vieler Hinsicht bei der formal-rechtlichen Integration von EinwandererInnen fortschrittlicher ist als dieses hier, sich in den banlieus aufführen wie (viele) israelische Soldaten in den besetzten Gebieten. Schließlich gilt hier immer noch das alte rassistische Blutrecht statt des republikanischen Bodenrechts. Während in Frankreich die letzten beiden Regierungschefs ukrainischer und armenischer Abstammung sind, ist hier ein Bundeskanzler Hakki Keskin oder Bahman Nirumand in diesem Jahrhundert wohl nicht mehr vorstellbar. Martin Schwarzbach, Buchholz

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