Satürkische Verse

■ Aziz Nesin soll Rushdies Schicksal teilen

„Man muß der Schlange jetzt den Kopf abreißen. Die Satanischen Verse sind notwendiger denn je. Wir müssen die Auseinandersetzung vorantreiben.“ Worte, die Lebensgefahr bedeuten. Der türkische Romanautor und Satiriker Aziz Nesin, der in der Türkei öffentlich für eine türkische Übersetzung von Rushdies „Satanischen Versen“ eintritt, wird von islamischen Fundamentalisten ganz offen bedroht. „Wer in den Spuren von Rushdie geht, wird sein Schicksal teilen,“ heißt es in einer Teheraner Tageszeitung, und in Istambul konnte man lesen, daß „heulende Wölfe“ sich nicht wundern sollten, wenn sie „aufgespürt und erlegt werden“.

Aziz Nesin (Jg.'15), der „bedeutendste zeitgenössische Schriftsteller türkischer Sprache“ (Spiegel) versteckt sich nicht, sondern sucht den Schutz der Öffentlichkeit. Er, der wegen seiner sozialkritischen Satiren fünf Jahre im Gefängnis war, reist auf Einladung der GEW und der IG Medien durch die BRD, um über Demokratie und Fortschritt in der Türkei zu sprechen, besonders über die Rolle der Intelligenz. Diese Woche tritt er in Worpswede und Bremen auf.

Der sehr religiös aufgewachsene Atheist (als Siebenjähriger konnte er den Koran auswendig) war lange Vorsitzender der türkischen Schriftstellergewerkschaft, hat über 100 Romane, Dramen, Gedichte, theoretische Schriften geschrieben und ist in 35 Sprachen übersetzt worden. Die ZEIT vergleicht ihn mit Erich Kästner und Heinrich Böll. Auf Deutsch liegen hauptsächlich seine politischen Satiren vor; rezipiert wurde er überwiegend in der DDR. Einen geplanten Ehrendoktor der TH Darmstadt erhielt Nesin nicht, weil er sich für den Moskauer Botschaftsflüchtling Erich Honecker einsetzte.

Aziz Nesin setzt sich für den der Türkei von Kemal Atatürk übergestülpten Laizismus ein, die Trennung von Staat und Kirche. Seit zwei Jahren werden „Kemalisten“ in der Türkei bedroht und ermordet. Der Fall Rushdie markiert für Nesin den Punkt, an dem „der Sturmritt der Extremisten“ aufgehalten werden muß — es drohe „der Rückfall in mittelalterliche Finsternis.“

In Worpswede spricht und diskutiert Aziz Nesin am Mittwoch, 20 Uhr, im Cafe International (An der Kirche 7). In Bremen liegt die Veranstaltung im Konsul-Hackfeld-Haus (Birkenstr.34) auf vielen Schultern: Die Senatorin für Ausländerintegration unterstützt sie ebenso wie die Arbeiterkammer, die Ausländerbeauftragte, DAB, DAG, GEW, Goethe-Institut, IG-Medien, Literaturkontor, Mosaik-Kulturhaus, Uni Bremen, VDS, Zentralstelle für die Integration von Zugewanderten. Übersetzen wird der Nesin- Kenner Prof. Klaus Liebe-Harkort (Uni Bremen).

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