piwik no script img

Israelischer Regierungschef besucht Polen

■ Jizchak Rabin nimmt an der Spitze einer 120köpfigen israelischen Delegation an den Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto teil

Warschau (dpa) – Die zweitägigen Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto haben am Sonntag abend mit einem ökomenischen Gottesdienst in der einzigen wiederaufgebauten Synagoge der polnischen Hauptstadt begonnen. Zur Ehrung der Toten waren einige Tausend Juden aus der ganzen Welt sowie zahlreiche ausländische Politiker nach Warschau gekommen.

Neben Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und dem amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore traf an der Spitze einer 120köpfigen israelischen Delegation am Montag auch Jizchak Rabin in Warschau ein. Er ist der erste israelische Regierungschef, der Polen besucht. Während der Hauptzeremonie am Montag abend legte er zusammen mit Gore und dem polnischen Staatspräsidenten Lech Walesa Kränze für die jüdischen Kämpfer und die Opfer des nationalsozialistischen Massenmordes nieder. Zuvor hatte der israelische Regierungschef nicht nur jüdische Gedenkstätten, sondern auch das Grabmal des Unbekannten Soldaten besucht. Außerdem traf er sich mit „Gerechten unter den Völkern der Welt“, Vertretern der Polen, die den verfolgten Juden unter Einsatz des eigenen Lebens geholfen haben. Ein Viertel der 11.000 „Gerechten unter den Völkern der Welt“ sind Polen.

Auch im Namen von Bundespräsident Richard von Weizsäcker legte Rita Süssmuth zusammen mit Vertretern der polnischen Regierung und jüdischen Delegationen in den Mittagsstunden einen Kranz am Ghetto-Denkmal nieder. Bei ihrer Ankunft in Warschau hatte die Bundestagspräsidentin darauf hingewiesen, daß man die Vergangenheit nicht vergessen dürfe, jetzt aber gemeinsam die Zukunft gestalten müsse. Bundesaußenminister Klaus Kinkel würdigte den Ghetto-Aufstand am Montag in Bonn als „auf alle Zeit ein Denkmal für jüdisches Leiden in diesem Jahrhundert“. Kinkel erinnerte an den Widerstand, der ein „bewußter Weg in Untergang und Tod in Würde“ gewesen sei.

Der letzte Überlebende unter den Führern des Aufstandes, Marek Edelmann, enthüllte am Nachmittag eine Gedenktafel für das Mitglied des polnischen Nationalrats in London, Szmul Zygelboim, der am 12. Mai 1943 Selbstmord beging, um die Welt auf den Massenmord an Juden durch die Nationalsozialisten aufmerksam zu machen. Er zitierte aus dem Abschiedsbrief des jüdischen Politikers: „Ich kann nicht schweigen und leben, während die Reste des jüdischen Volkes in Polen zugrundegehen“.

Am Rande der Gedenkzeremonien fanden in Warschau auch politische Gespräche statt. Gore und Rabin trafen sich mit Staatspräsident Lech Walesa, Ministerpräsidentin Hanna Suchocka und Außenminister Krzysztof Skubiszewski. Rabin lud Frau Suchocka nach Israel ein. Er sprach sich für eine Intensivierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen