piwik no script img

"Krämerseele besiegt Umweltpolitiker"

■ Finanzsenator labt sich an neuer Gesellschaft für Grünen-Punkt-Müll / Umweltbehörde sauer / ÖTV wittert Tarifwilderei

/ Umweltbehörde sauer / ÖTV wittert Tarifwilderei

Finanzsenator Wolfgang Curilla atmete am Montagabend zufrieden auf. Bei der Abstimmung in der SPD-Fraktion über das Konzept des Senats zum Geldverdienen mit dem Grünen Punkt war nicht einmal der Hammelsprung notwendig geworden. Die Umweltpolitiker und der Gewerkschaftsflügel in der SPD- Fraktion unterlagen der Mitte- Rechts-Mehrheit mit deutlicher Mehrheit. Damit steht fest: Hamburg wird sich mit einer „Wert GmbH“ am „Dualen System“ (Grüner Punkt) beteiligen.

Diese Gesellschaft wird nicht bei Umweltbehörde oder Stadtreinigung angesiedelt, sondern als Tochter der städtischen Finanzholding HGV (Hamburger Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung). HGV- Chef Günter Elste war denn auch mehr als zufrieden. Seinem geschickten Management war es zu verdanken, daß das urspüngliche Nein der Fraktion im letzten Augenblick doch noch in ein geschickt verklausuliertes Ja umgebogen werden konnte.

Noch im Januar hatte die Bürgerschaft die Senatsvorlage zur Wert GmbH gestoppt und zum Entsetzen Curillas und Voscheraus an den Umweltausschuß überwiesen. Dort bastelte SPD-Umweltsprecher Jens-Peter Petersen in enger Abstimmung mit Umweltbehörde und ÖTV an einem Konzept, welches die Wert GmbH zwar formal selbständig, in der Praxis jedoch über einen umfassenden „Geschäftsbesorgungsvertrag“ an die Stadtreinigung — und damit an die Umweltbehörde — gebunden hätte. Die Sorgen der ÖTV über mögliche Billiglohntarife weit unter dem Müllwerkerniveau und die der Umweltschützer über eine unzulängliche umweltpolitische Steuerung der Verpackungsmüllsammlung wären damit elegant aus der Welt geschafft worden.

Am Montagabend setzte sich Elste jedoch mit einem als Kompromiß getarnten Vorschlag durch: Demnach soll die Wert GmbH zwar einen „Geschäftsbesorgungsvertrag“ mit der Stadtreinigung schließen. Völlig offen bleibt jedoch, was für einer. Fraktionschef Elste, im Zweitberuf zufällig auch noch HGV-Geschäftsführer, hat somit freie Hand, eigenes Personal zu Billiglöhnen einzustellen und die Wert GmbH so zu führen, wie ihm zumute ist. ÖTV-Chef Rolf Fritsch polterte denn auch empört: „Das ist ein Sieg der Krämerseelen über die Umweltpolitiker.“ Florian Marten

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen