: Machtkampf beim BUND
■ In dem Umweltverband wird um den Vorsitz gekämpft / Für Abstimmung über 100 neue Mitglieder geworben / Gegner streiten u das Gehalt von Angestellten
Berlin. Der Berliner Landesverband des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) verzeichnet seit sieben Wochen einen starken Mitgliederzuwachs. Alleine im März konnte Berlins aktivster Umweltverband (etwa 2.000 Mitglieder) 104 neue Symphatisanten gewinnen, berichtet die Bundesgeschäftsstelle in Bonn. Hintergrund der regen Eintrittswelle: Auf der morgigen Mitgliederversammlung im Rathaus Charlottenburg stehen zwei Abwahlanträge gegen den Landesvorsitzenden Klaus Polzin (53) auf der Tagesordnung. Polzin- Gegner wie -Befürworter haben ihre jeweiligen Freunde und Bekannten nun in den BUND gehievt, um bei den Abstimmungen möglichst stark zu sein.
Polzins Gegenspielerin in dem seit Januar schwelenden Streit heißt Annette Nawrath (27). Sie ist stellvertretende Landesvorsitzende und sitzt seit fünf Jahren im Vorstand. Der Landesvorsitzende Polzin drohte damals mit seinem Rücktritt, weil der Vorstand angeblich kleinkariert denke und sich zudem mehr um den Bundes- als um den Landesverband kümmere. Außerdem mißfalle ihm, daß die ehrenamtlich arbeitenden Arbeitskreise und Bezirksgruppen vom Vorstand zum Geldsparen aufgefordert worden seien.
Sein aktivster Unterstützer, Klaus Gerlach, hauptamtlich für verkehrspolitische Fragen zuständig, findet deutlichere Worte: Die Nawrath-Fraktion wolle an den Ehrenamtlichen sparen, damit sich festangestellte Mitarbeiter höhere Gehälter auszahlen könnten. Ein „Spar-Brief“ an die Gruppen und Arbeitskreise sei in etwa zu der Zeit abgeschickt worden, zu der verschiedene Festangestellte eine Gehaltserhöhung forderten – aus diesem zeitlichen Zusammenhang schließt nicht nur Gerlach, daß die dafür verantwortliche „Nawrath- Fraktion“ einen neuen Kurs beim BUND fahren will.
Annette Nawrath (27) bestreitet dagegen, daß es über den Stellenwert ehrenamtlicher Arbeit einen Dissenz gebe. Die Ehrenamtlichen seien die Stärke des BUND, anders als etwa bei Greenpeace könne sich jede Hausfrau, jeder Rentner und jeder Student in der Organisation engagieren. Allerdings werde der Verband von Jahr zu Jahr größer, und dadurch nehme auch der Teil der Arbeit zu, der kontinuierlich – also von Angestellten – erledigt werden müsse. Bei der zuletzt eingerichteten dritten Stelle habe schließlich auch Polzin ohne Widerspruch zugestimmt.
Die umstrittenen Gehaltsforderungen seien teilweise zurückgenommen worden, die weiterhin bestehenden berechtigt, sagt Stellvertreterin Nawrath. Die Festangestellten arbeiteten zum Teil doppelt soviel Stunden wie bezahlt würden. Daß Vorsitzender Polzin die Mehrarbeit unter ehrenamtlich abbucht, findet Nawrath „absurd“ – zumal immer mehr Aufgaben von den Ehrenamtlichen an die Geschäftsführung abgewälzt würden. Wenn man gezwungenermaßen aber mehr und unentgeltlich arbeiten müsse, dann sei das nichts anderes als „Arbeitgebermentalität“, rügt die stellvertretende Vorsitzende. Darüber hinaus bedauert sie, daß die kostenlose Mehrarbeit der bezahlten Mitarbeiter von Polzin und seinen Anhängern zunehmend weniger anerkannt werde. Neben den zwei GeschäftsführerInnen und einem Sekretär, die aus der Kasse des BUND bezahlt werden müssen, arbeiten in der Crellestraße in Schöneberg und der Holzmarktstraße in Mitte weitere zwölf ABMler und zwei MitarbeiterInnen, die über das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) finanziert werden. Für Polzin hat sich seit seiner Rücktrittsdrohung im Januar jedenfalls nicht genügend in seinem Sinne verändert. Angeblich ist er damals nur deshalb im Amt geblieben, weil ihn etliche Mitglieder zum Weitermachen aufgefordert haben. Sollte er nun morgen abgewählt werden, könne er auch damit leben, daß er „nur einfaches BUND-Mitglied“ wäre. Polzin ist seit acht Jahren Vorsitzender.
Der Bundesverband freut sich jedenfalls über den überdurchschnittlichen Mitgliederzuwachs in Berlin. „Die sollten häufiger Abwahlanträge stellen“, kommentierte ein Bonner Mitarbeiter die Geschichte. Dirk Wildt
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