: Hamburgs Hafenschlick? Bei uns? Nein Danke!
■ Bürgerinitiativen aus dem Umland protestieren gegen den giftigen Elbschlick / "Dioxinschleuder" bedroht Existenzen
protestieren gegen den giftigen Elbschlick / „Dioxinschleuder“ bedroht Existenzen
Den Sonntagspaziergängern in Övelgönne bot sich gestern ein ungewöhnlicher Anblick: Mit vier transparentgeschmückten Schiffen aus Krautsand, Glückstadt und Artlenburg legten dort 500 Mitglieder von Bürgerinitiativen aus dem Umland an. Allen gemeinsam: In ihrer Nachbarschaft soll giftiger Hafenschlick aus Hamburg deponiert werden. Mit diesem Vorhaben sind die Initiativen jedoch keineswegs einverstanden.
Gemäß einer Rahmenvereinbarung, die Hamburg 1984 mit den Nachbarländern abschloß, sollen Schleswig-Holstein und Niedersachsen der Hansestadt in Zukunft jährlich je 200 000 Kubikmeter Schlick abnehmen. Die Marschenbewohner sehen durch die Ablagerung des mit Schwermetallen und Dioxinen angereicherten Baggergutes ihre Gesundheit und ihre wirtschaftliche Existenz bedroht. Hafenschlickgegner aus den Landkreisen Cuxhaven, Dittmarschen, Lüneburg, Rendsburg-Eckernförde, Stade und Steinburg schlossen sich kürzlich zu einem Norddeutschen Verbund zusammen.
In Schleswig-Holstein läuft die bislang ergebnislose Standortsuche bereits seit eineinhalb Jahren. Dort stehen sechs Gemeinden in der näheren Auswahl: Sehestedt, Bovenau, Dammfleth, Süderhastedt, Krempdorf, Dingen und Averlak. In Niedersachsen sollte ein „Mediationsverfahren“ die Anwohner an der Standortsuche beteiligen. Ohne Erfolg: Die Landesregierung gab kürzlich auf.
Die Ängste gegen den Schlickberg sind nicht unbegründet. Milcherzeuger Friedhelm Dierks muß wie andere Landwirte in der Artlenburger Elbmarsch um seine Existenz fürchten. Die Molkerei habe ihm mitgeteilt, das vom Beginn der Deponierung seine Milch nicht mehr verarbeitet würde. Bei dem ständigen Wind, der in der Marsch weht, bestehe die Gefahr von Staubverwehungen, erläuterte gestern Chemie-Ingenieurin Siegrun Hellmann. Der Hügel könne so zu einer „Dioxinschleuder“ werden. Auch der geplanten Folienabdichtung unter der Deponie sei nicht zu trauen. Spätestens nach 30 bis 50 Jahren, wenn die Folie durchgerottet ist, seien Grund- und Oberflächenwasser bedroht.
Mit dem Schlick könnten jährlich bis zu 42 Tonnen Arsen, 70 Ton-
1nen Blei, 7 Tonnen Cadmium und 5,6 Tonnen Quecksilber anfallen, so die Landärztin Dr. Gisela Pentekers. Es dürften doch nicht „die letzten einigermaßen sauberen Er-
1holungsgebiete auch noch zerstört werden“.
Um den Fremdenverkehr, „ein zartes Pflänzchen, das mit dem Giftschlick zugeschüttet würde“,
1fürchtet Dirk Ludewig, stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Drochtersen. Seine Ansage: „Mit uns wird es keine Giftschlickdeponie geben“. VM
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