: „Der Dieb ist mir ins Messer gelaufen“
■ Aufpasser auf Rummelplatz ersticht nachts unbekannten Eindringling / Nach Einbruchserie private Wache organisiert
Treptow. Den Diebstahl von Kaffee und anderen Lebensmitteln mußte ein zwischen 20 und 30 Jahre alter Einbrecher mit seinem Leben bezahlen. Der noch nicht identifizierte Mann war in der Nacht zum Montag in ein Restaurantzelt des „Spreeparks“ im Plänterwald eingebrochen und beim Abtransport der Ware von einem Mitarbeiter gestellt worden. Dabei soll es zu einem Gerangel gekommen sein, in dessen Verlauf der Angestellte dem Einbrecher ein Messer in den Bauch rammte. Der lebensgefährlich Verwundete floh 15 Meter in das nahegelegene Waldstück und wurde dort wenig später tot in einer Mulde gefunden.
Gegen den 24jährigen Angestellten wird nun wegen Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Seit gestern befindet sich der gebürtige Pole allerdings wieder auf freiem Fuß. Laut Justizsprecher Rautenberg ist Notwehr oder Notwehrexzeß als Tatmotiv nicht auszuschließen. Notwehrexzeß bedeutet eine Überschreitung der Notwehr aus Verwirrung, Angst oder Schrecken.
Viele Fragen bleiben offen. Nach Angaben der Polizei hatte sich der Angestellte nach mehreren Einbrüchen im „Spreepark“ auf die Lauer gelegt. Eine leitende Mitarbeiterin der Spree-Park Berlin GmbH bestätigte gestern gegenüber der taz, die Belegschaft habe die Nachtwachen mit ausdrücklicher Billigung der Geschäftsführung durchgeführt. Wegen dieses Eigenengagements, aber auch aus Kostengründen habe die Geschäftsführung darauf verzichtet, einen privaten Sicherheitsdienst anzuheuern.
In dem wochentags fast menschenleeren weitläufigen Areal sprechen die Angestellten über den Tod des Einbrechers nur hinter vorgehaltener Hand, denn: „Die Geschäftsleitung will das nicht.“ Konkrete Informationen über den Vorfall hat keiner, alle berufen sich auf Gerüchte und Zeitungsmeldungen. Der 24jährige Pole sei ein „kleiner, knubbeliger Typ“, der nie durch Aggressionen aufgefallen sei. „Er muß schon seinen Grund gehabt haben, mit dem Messer zuzustechen“, meint einer. „Aber warum hat er sich so geplant auf die Lauer gelegt?“ fragt ein anderer. Eine Frau ist voll des Mitleids für den Polen: Tagsüber sei er das Mädchen für alles gewesen, habe gestrichen und geputzt, und nachts hätte er dann noch Wache schieben müssen, das überfordere doch jeden. Namen der dafür Verantwortlichen sind jedoch nicht herauszubringen.
Der ermittelnde Kripobeamte Fritzeck teilte der taz mit, der beschuldigte Pole habe sich freiwillig und aus Eigenengagement an den Nachtwachen beteiligt. Zweifel daran hat er nicht: Der Chef der Spreepark GmbH habe diese Aussage bestätigt. Daß die Angestellten „sauer“ über die vorangegangenen Diebstähle gewesen seien – entwendet wurden unter anderem ein CD-Player und ein Funktelefon – kann Fritzeck „gut verstehen“. Bei der Vernehmung habe sich der Pole darauf berufen, der Dieb sei ihm „ins Messer gelaufen“. Die Identität des Toten sei aus technischen Gründen noch nicht geklärt. Der Grund: Die Fingerabdrücke müssen mit der Post zum BKA nach Wiesbaden, weil das elektronische Übertragungsgerät defekt ist. plu
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