: Bei Anruf Mord
■ Warum in den Medien soviel über die Privaten zu lesen ist
Kaum eine Woche vergeht, in der den hauptamtlichen Bildschirmbeobachter nicht irgendein säuberlich ausformuliertes Lamento einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt erreicht. (Übrigens nennen nur die Öffentlich-Rechtlichen – in weiser Einsicht? – ihre Funkhäuser „Anstalt“.) Beflissen werden Papierberge versandt, wenn es nur darum geht, wortreich und mitleidheischend Klage zu führen über steigende Kosten, schwindende Werbeeinnahmen, unzureichende Rundfunkgebühren und die sinkenden Einschaltquoten.
Nun gut, denkt der verantwortungsbewußte Journalist, schreiben wir mal etwas über einen öffentlich-rechtlichen Programmbeitrag. Eine neue Samstagabendshow wird annonciert, ein neuer Moderator desgleichen – verabreichen wir dem Volk einen Hinweis, daß es sich frei und selbstbestimmt gegebenenfalls für dieses Angebot entscheide.
Dazu aber bedarf es eingehender Vorabinformation. Folglich ruft man an beim Sender und bittet artig um selbige. Jedoch: Die Bediensteten der Pressestelle haben, einen Monat vor deren Ausstrahlung, von der angesprochenen Sendung, scheint's, noch nichts vernommen. Man weiß aber, wer zuständig ist, und kann sogar mit der Telefondurchwahl des Betreffenden, ein Herr Sowieso, weiterhelfen.
Unter der angegebenen Nummer aber meldet sich zwei Tage lang erst einmal niemand. Am dritten Tag erklingt eine barsche Frauenstimme und raunzt den zaghaft Fragenden an, Herr Sowieso sei eine Frau Sowieso und sitze im übrigen ganz woanders. Bei ihr jedenfalls sei der Bittsteller mit seinem Anliegen an die Falsche geraten. Abschließend wird dem kleinlauten Anrufer unerwartete Gnade zuteil: Die Megäre verbindet ihn mit der richtigen Abteilung.
Erstaunlich genug, das Büro ist besetzt – mit einer der Stimme nach jungen, auf jeden Fall grundsympathischen Dame, die justament ihren ersten Arbeitstag absolviert, verständlicherweise noch keinen rechten Überblick hat, aber auch niemanden zur Seite, der in besagter Angelegenheit befragt werden könnte. Sie verspricht indes mit warmen Worten, sich kundig zu machen und eine kompetente Person zurückrufen zu lassen.
Dankbar hinterließ unser Mann seine Telefonnummer – und hörte nie wieder vom Sender. Nolens volens wagte er drei Tage später einen weiteren Versuch, landete wiederum bei der Pressestelle und bekam erneut jene ominöse Durchwahlnummer, wo man, wie wir bereits erfahren haben, barsch angepöbelt wird.
An dieser Stelle wurde der Feldversuch dann abgebrochen. Zum Vergleich: Benötigt man Informationen, Fotos oder dergleichen von privaten Programmanbietern, ruft man dort an, wird schlimmstenfalls einmal verbunden und hat anderntags – notfalls per Expreß – das Gewünschte im Briefkasten. Und so kommt es, daß über manche Kabelsender mehr geschrieben steht als über die schwerfälligen Dinosaurier öffentlich-rechtlicher Abstammung. Harald Keller
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