: Probelauf für serielle Insulin-Produktion
■ Hoechst erprobt bereits die Herstellung von Humaninsulin mit Hilfe der Gentechnik
Seit Januar 1993 wird bei der Frankfurter Hoechst AG das Verfahren zur Herstellung von Humaninsulin mit Hilfe von gentechnisch veränderten Bakterien im Versuchsbetrieb erprobt. In der Woche vor Ostern nun hat die Firma einen Antrag auf Genehmigung zur gewerblichen Herstellung von biosynthetisch gewonnenem Insulin gestellt. Und um bereits im Vorfeld die Ungefährlichkeit des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen sowie die umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen unter Beweis zu stellen, veranstaltet Hoechst ab heute vier Tage der offenen Tür, an denen die Öffentlichkeit sich über das Verfahren informieren kann.
Als Medikament ist Insulin lebenswichtig für Diabetiker. Es regelt den Blutzuckerhaushalt im menschlichen Körper und muß gespritzt werden, wenn die Bauchspeicheldrüse nicht genug körpereigenes Insulin produzieren kann. Bis jetzt wird Insulin hauptsächlich aus den Bauchspeicheldrüsen von Rindern und Schweinen gewonnen. Die serielle Herstellung von Humaninsulin nach dem neuen Verfahren soll, wie auch jetzt schon im Probebetrieb, in drei Phasen ablaufen: In „Fermtec“ werden Bakterien vermehrt, die außerhalb der Anlage gentechnisch verändert wurden und in ihrem Zellinnern einen Eiweißstoff bilden, aus dem Humaninsulin gewonnen wird. Im „Chemtec“-Betrieb werden die Zellen aufgebrochen und der humaninsulinhaltige Eiweißstoff aus dem Zellinnern isoliert. Eine Insulinvorstufe wird gezielt abgespalten und im dritten Bereich „Insultec“ gereinigt, bis das Endprodukt Humaninsulin vorliegt.
Die Hoechst AG sieht vor, die für den Versuchsbetrieb installierte Anlage weitestgehend für die serielle Herstellung zu übernehmen; nur für die Teilanlage „Insultec“ sind umfangreiche Ergänzungen geplant. Das Genehmigungsverfahren gemäß dem Gentechnik- und dem Bundesimmissionsschutzgesetz ermöglicht es, daß alle interessierten BürgerInnen Einblick in die Antragsunterlagen nehmen können, die noch bis Ende April im Technischen Rathaus in Frankfurt ausliegen. Ein Erörterungstermin über das Pro und Kontra des Antrages ist für Ende Juni im Bürgerhaus von Frankfurt-Nied angesetzt. Frühestens in drei Jahren, so die Pharma- Experten von Hoechst, sei mit der Zulassung des Präparats als Arzneimittel zu rechnen.
Eduard Bernhard, zweiter Vorsitzender des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), kritisierte, daß die Antragsunterlagen nicht vollständig seien und daß ein Gutachten über die werksinterne Sicherheitsanalyse durch unabhängige Experten nicht vorhanden sei. Im Hinblick auf die vielen Störfälle in anderen Produktionsbereichen der Hoechstwerke verwies Bernhard auf den § 13 des Gentechnikgesetzes. Der besagt, daß die Zuverlässigkeit eines Betreibers eine Voraussetzung für die Genehmigung einer gentechnischen Anlage ist. Die Zuverlässigkeit der Betreiberfirma werde bei der Begutachtung der Antragsunterlagen eine Rolle spielen, hieß es aus den für die Genehmigung zuständigen Regierungspräsidien Darmstadt und Gießen. Auch die vom hessischen Umweltminister Joschka Fischer in Auftrag gegebene Zuverlässigkeitsprüfung nach § 20.3 des Bundesimmissionsschutzgesetzes erstreckt sich auf Teile der Anlage. Mit einem Ergebnis der Überprüfung kann in etwa vier Monaten gerechnet werden.
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