: Musik für eine leere Fläche
■ Eine akustische Reiz-Stunde / Berliner Klangkünstler Rolf Julius in der Weserburg
Der Ton macht die Musik. Das weiß der Berliner Klangkünstler Rolf Julius am besten. Er packte einen alten Koffer: Kabel, Verstärker, Lautsprecher, Mixer, Equalizer, Tele-Pick-ups, Intervallsummer mit Schalter, Rekorder - 15 Kilo elektronisches Gepäck. Reiseziel: Bremen. Und dort: eine Performance im Neuen Museum Weserburg. Ihr Titel: „Musik für eine leere Fläche“.
Künstler sollen die Kunst in der Weserburg erklären. Das ist die Idee von Museumspädagogin Christine Breyhan. Bei Julius fand sie für dieses Projekt ein offenes Ohr. Er eröffnete am Dienstag die neue Vortragsreihe. In Bremen ist der 53jährige Klangkünstler kein Unbekannter: Im Dachgeschoß der Weserburg ist ein ganzer Raum seinen Skulpturen "Räume der Stille" gewidmet.
Stille herrscht während seiner Performance allerdings nicht. Julius' Aktion entwickelt sich bisweilen gar zur Hör-Tortur. Der gebürtige Wilhelmshavener, Ex-Schüler der Bremer Hochschule und seit 1978 Klangkünstler („Ich wollte irgendwie weg von der bildenden Kunst“), gönnt seinen ZuhörerInnen im Vortragssaal der Weserburg keine ruhige Minute.
Auf einer Schaumstoffmatte kniend, versetzt der Tüftler mit ruhigen Handgriffen seine fein säuberlich plazierten Geräte in Schwingung. Behutsam hantiert er mit Magneten, Membranen und Verstärkern. Ein Holzbrett mit Lautsprechern wird Klangkörper („funktioniert wie ein Instrument“).
So künstlich Julius' elektro-akustischen Klangkompositionen sind, sie erinnern an Alltägliches. Unweigerlich beginnt das „Konzert-Publikum“ zu interpretieren. Lärmende Heuschrecken und Vögel meint es zu hören. Nähmaschinen, quietschende Luftballons, ein Mokick, kläffende Hunde, fallende Wassertropfen, Galopp auf Kopfsteinpflaster. Oder aber Trommelwirbel, Hämmern, Schleifen, Motorengeräusch. Eine Stunde lang akustischer Dauerreiz. Mal laut, mal leise. Meist hektisch, selten zurückhaltend. Klangbilder ohne Melodik und Pause. Das strengt an.
Doch nicht jede Veranstaltung in der Reihe "Künstler stellen Kunst im Neuen Museum Weserburg vor", die zusammen mit der Hochschule Bremen durchgeführt wird, soll auf so ungewöhnliche Weise an den Nerven zehren. Heute spricht der Bremer Maler Uwe Kirsch beispielsweise ab 16 Uhr im Museum über seinen Lieblingskünstler: William Copley. Anschließende Diskussion durchaus erwünscht.
Am Eröffnungstag waren die akustischen Reize hingegen ein Grund, daß das angespannte Publikum erst nach einer Verschnaufpause mit dem Künstler diskutierte - allerdings sehr zurückhaltend. Doch soviele Fragen nach dieser Performance auch offen blieben: Museumspädagogin Breyhan ist zumindest gelungen, einen „direkten Draht zum Künstler herzustellen“ und Besucher, wenn auch leider zu wenige, in die Weserburg „zu lotsen“. Die etwa 25 TeilnehmerInnen dürften zudem Julius' Klangskulpturen im Dachgeschoß der Weserburg in Zukunft entspannter zuhören. Denn hier kann man — im Gegensatz zur Performance — bestimmte Klangsklupturen auswählen und sich ihnen je nach Tageslaune aussetzen, solange man will. Sabine Komm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen