: Vorgeschichte muß Elektrizität weichen
■ Fockemuseum: Jubiläumsausstellung „Bremen wird hell“ wird 100 Jahre Leben und Arbeiten mit Strom zeigen
Noch ist nicht viel zu sehen. Doch das Ereignis wirft seine Schatten schon voraus: Die Vor- und Frühgeschichte weicht der Elektrizität. Im Foyer des Fockemuseums empfangen altertümliche Elektrogeräte die BesucherInnen. Ein Heizlüfter in Porzellangehäuse beispielsweise. Oder ein Staubsauger, dessen Saugleistung sich auf den ersten Blick abschätzen läßt — Krümel am besten einzeln einfüllen. Ein Seitenflügel des Museums ist schon leergeräumt, hier wird gehämmert und gezimmert, Vitrinen stehen auf verlorenem Posten. Wer seine Jahresschlußrechnung der Stadtwerke nicht gleich zu den Akten gelegt hat, der weiß: Das Fockemuseum bereitet eine Jubiläums- und Großausstellung vor. Auf 650 Quadratmetern wird sie die bisher größte sozialgeschichtliche Ausstellung des Landesmuseums.
„Bremen wird hell — 100 Jahre Leben und Arbeiten mit Elektrizität“ ist der Titel. Am 1. Oktober, wenn Bremen ein Jahrhundert öffentliche Stromversorgung feiern kann, wird die Ausstellung eröffnet. 700.000 Mark wird sie kosten. Dazu muß die Kultursenatorin nur 160.000 Mark aus dem Landeshaushalt beisteuern. 300.000 Mark zahlen die Stadtwerke, für weitere 140.000 Mark hat Stadtwerkechef Günther Czichon Sponsoren aufgetrieben. Dies berichteten er und Museumschef Jörn Christiansen auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz gestern.
Für das landeskundliche Museum ist die Elektrizitätsausstellung der erste Baustein „für die zukünftige Entwicklung des Hauses“, so Christiansen. Er gab sich „froh über den Anlaß“: schließlich könne so ein entschiedener Schritt in Richtung Technik und Industrialisierung getan werden. Denn einige Exponate und Themen sollen nach der Sonderschau in die Dauerausstellung übernommen werden.
So werden die filigranen Silberbecher und —löffel künftig nicht mehr für sich allein präsentiert: Eine komplette Galvanisieranlage aus dem Jahr 1925 soll auch nach der Strom-Ausstellung im Museum die Silberwarenindustrie in Bremen illustrieren. Doch zunächst muß dieses Beispiel der chemo-elektrischen Technik aus der Silberwarenfabrik „Koch & Bergfeld“ erst einmal ins Museum gebracht werden. Wie bei vielen Exponaten dieser Ausstellung sind dazu teure Spezialtransporte nötig — die Galvanisieranlage zum Beispiel muß übers Dach aus ihrem bisherigen Standort gehievt werden.
Auf dem Ausstellungsgelände sind die Probleme nicht geringer: Für die Anlieferung von Schiffsmotoren oder die erste vollautomatische Kesselanlage Bremens, für den Original-Generator, der schon 1890 in einem Versuch die erste Bremer Straßenbahn antrieb, und erst recht für den viereinhalb Tonnen E-Motor aus der Rolandmühle müssen die Zufahrten zum Museum verstärkt, Trassen über den Rasen verlegt und Fenster herausgenommen werden. „Die Dimensionen der Maschinen stellten uns vor gewaltige Probleme — mit der Statik und mit den Transportern“, berichtete Heinz-Gerd Hofschen, Historiker und Projektleiter, gestern.
Doch er ist zuversichtlich, daß die Bremer Ausstellung nicht nur die technischen, sondern vor allem auch die kultur-und sozialgeschichtlichen Dimensionen der Elektrifizierung sehr umfassend darstellen wird. Viele BürgerInnen und Betriebe haben Objekte zur Verfügung gestellt. Vom Fernschreiber bis zum elektrisch betriebenen Fließband, vom Induktionsgerät bis zum Freimarkt-Karussell und skurilem medizinischem Werkzeug - die Ausstellung versucht, alle Lebensbereiche zumindest aufzugreifen. Eins wird es also sicher: lehrreich. Fünf Bilungsurlaube im Museum sind bereits organisiert. ra
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