■ Urdrüs wahre Kolumne: Brechreizerregend
URDRÜS WAHRE KOLUMNE
Brechreizerregend
Schon brechreizerregend ist das gesamt-sozialarbeiterische Wohlwollen, das allerorten jenen jugendlichen Zwangsneurotikern entgegengebracht wird, die überall mit ihren Graffiti-Schablonen Wände und Türen beschmieren und dabei auch vor veritablen Wandgmälden nicht haltmachen. Wie widerwärtigst angepaßt dieser HipHop aus der Spraydose ist, demonstriert nicht zuletzt die Tatsache, daß jeder publicitygeile Inhaber eines Flaschbierhandels inzwischen das Jungvolk beauftragt, seine Garagenpforte mit derlei niederträchtig-bunten Klischees zu füllen. Wenn ich so'n Bürschchen mal erwische, wird zurückgesprüht! Nur auf natürliche Auslese durch Bahnsurfen zu hoffen, wär' ja wohl etwas sozialdarwinistisch...
Beobachtet in der gelben Post (Schalterdienst Domsheide); umständlich rückt sich ein Bediensteter seine Utensilien zurecht, erwartungsfroh huschen zwei, drei Wartende aus der Kundenschlange nebenan zu dem sich offenbar gleich öffnenden Schalter. Entschlossen beißt das mutmaßliche Mitglied der Deutschen Postgewerkschaft in einen Schokoriegel, entfernt das „Nicht besetzt“-Schild. Da kommt der Kollege mit dem Heimwerker-Katalog (Sammelbestellung?). Entschlossen wird das Schild zurückgestellt, verärgertes Pochen der Kunden mit kurzem Kopfschütteln abgewehrt und gemeinsam vertieft man sich in die Geheimnisse von Schneidbrennern, Werkbänken und Kreissägen. Neiden wir diesen Kollegen nicht ihren Status, freuen wir uns mit Ihnen am Vorabend des 1.Mai: Arbeit kann menschlich sein!
Ins Podium einer internationalen Frauenkonferenz der Landeszentrale für politische Bildung sollte auch eine Gewerkschafterin entsandt werden, und so wurde ÖTV-Frau Ulrike Buchner vorgeschlagen. „Keine Kommunistin auf's Podium!“ rief entsetzt die linker Umtriebe gänzlich unverdächtige Landeszentralen-Mitarbeiterin Brigitte Meyer aus dem Sozialdemokratischen Mainstream. Nunmehr sollen die Gewerkschafterinnen durch Heinzi Möller von der Arbeiterkammer vertreten werden. Heinzelmann — als ideelle Gesamtfrau.
Daß der Blitz den Kerl züchtigen möge! Martini-Prediger Jens Motschmann, außerhalb seines fundamentalistischen Beritts auch als Gatterich der heiligen Elisabeth aus der CDU-Bürgerschaftsfraktion bekannt, gründete mit anderen evangelikanen Ayatollahs einen Bund gegen Mißbrauch von Kirchensteuergeldern. Mit der Finanzierung eines „rein feministischen“ Frauenzentrums habe die BRD „erstmals in der Kirchengeschichte Irrlehre und Sünde institutionalisiert.“ Und die Leiterin des Zentrums habe sich obendrein für die kirchliche Segnung homosexueller Lebensgemeinschaften ausgesprochen. In der guten alten Welt mit der reinen Lehre aber gab es in der Kirchengeschichte noch den Scheiterhaufen als Institution gegen Irrlehre und Sünde. Der Kumpel istbrandgefährlich ... Ulrich Reineking-Drügemöller
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