: Deutschland keine zweite Heimat
■ Lesungsreihe von „De Colores“: Rose Baaba Folson aus Ghana im Ortsamt Mitte
Ihre Eltern schickten sie mit 18 Jahren von Ghana zum Studium nach London. Als Rose Baaba Folson dort ankam, merkte sie, daß sie plötzlich niemand mehr kontrollieren und erziehen konnte. „Da bin ich losgezogen“ erzählt sie. Sie reiste quer durch Europa, zwischendurch in die USA, „in Skandinavien traf ich ein paar Deutsche, die nach München wollten, da flog ich mit.“
Das war vor 19 Jahren — Rose Baaba Folson ist in Deutschland geblieben. Sie lebt in Bremen. Als zweite von insgesamt fünf nichtdeutschen Autorinnen wird sie heute abend im Ortsamt Mitte lesen: in einer Lesereihe der Immigrantinnengruppe „De Colores“.
„Ich bin aber keine Dichterin!“ lacht Rose Baaba Folson. „Was ich schreibe, ist wissenschaftlich, sehr trocken, sehr politisch, sehr anklagend, sehr beleidigend.“ Rassismus, Frauendiskriminierung, Machtstrukturen sind Rose Baaba Folsons Themen. Sie ist Lehrbeauftragte an den Universitäten in Bremen und Innsbruck — und reist mit ihren Vorträgen und Projekten wieder quer durch Europa.
Deutschland ist für Rose Baaba Folson keine zweite Heimat geworden. „Als ich hierher kam, konnte ich zwar die Sprache nicht, war aber glücklich; vielleicht, weil ich nichts verstanden habe.“ Wieder lacht sie laut heraus. „Damals liebte ich Katja-Ebstein-Schlager, hatte einen ungeheuer starken Willen, mich zu integrieren. Man hat mich nicht gelassen.“
Ernst spricht sie weiter. „Mittlerweile gehe ich überaus kritisch mit den Deutschen um. Man kann nicht immer über die rassistischen Anspielungen, die hier an jeder Ecke lauern, lachen; das schlägt irgendwann um in Schmerz, Trauer und Wut.“
Wütend wird sie dann auch, wenn sie daran denkt, daß „De Colores“ keine Gelder für die Lesungsreihe bewilligt wurden. „Sobald wir Immigrantinnen keine
hier die schwarze
Frau
Flüchtlinge mehr sind, die getätschelt werden können, sondern uns auf unsere eigenen Beine stellen, gelten wir als elitär und politisch uninteressant.“ Rose Baaba Folson setzt dagegen. Sie hat die Kraft zur Konfrontation. „Ich bin Feministin, ja“, sagt sie mit festem Blick. „Und zwar, weil ich gegen den patriarchalischen, unreflektierten Umgang mit vielen Dingen bin. Da tragen auch die Frauen ihr Scherflein bei — Feminismus ist für mich kein Krieg gegen die Männer.“ Heiraten wollte Rose Baaba Folson nie. Sie lebt mit ihrem 17jährigen Sohn Andre, teilt mit ihm die tagtäglichen Erniedrigungen. Bremer SchülerInnen kennen Rose aus einigen Stunden: wenn sie mit ihnen Comics und Schulbücher nach antirassistischen Tendenzen durchstöbert.
Heute abend wird Rose Baaba Folson einen Text über Begegnungen zwischen deutschen und nichtdeutschen ArbeitskollegInnen lesen. Dazu wird sie aus Büchern einiger afrikanischer und schwarzamerikanischer Schriftstellerinnen zitieren, die sie gerne vorstellen möchte. „Ich werde wieder eine Reise machen — nach Afrika mit Bessie Head, Ama Darko und Ken Bugul, über die USA mit Toni Morrison und Zora Neale Hurston, und zurück über Deutschland nach Afrika mit Rose Baaba Folson.“ Silvia Plahl
Heute 20 Uhr, Ortsamt Mitte
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