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Verfassungsschutz-Panne beim Mykonos-Attentat

■ Tatverdächtiger wurde trotz Hinweisen in Berlin nicht überwacht

Berlin. Mit Spannung sehen die Mitglieder des Verfassungsschutzausschusses des Abgeordnetenhauses dem kommenden Donnerstag entgegen. Dann werden sie im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Einblick in die Unterlagen nehmen, die dort über das Attentat im griechischen Lokal „Mykonos“ gesammelt sind. Die Parlamentarier erhoffen sich Aufklärung darüber, ob das LfV den Anschlag, dem am 17. September letzten Jahres vier iranische Oppositionspolitiker zum Opfer fielen, hätte verhindern können, dies jedoch aus Fahrlässigkeit unterlassen hat.

Das Erkenntnisinteresse der Parlamentarier wurde geweckt, als Innensenator Heckelmann (CDU) in der letzten Sitzung des Ausschusses berichtete, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Berliner Kollegen bereits im Februar 1992, also acht Monate vor dem „Mykonos“-Anschlag, empfahl, gegen den Iraner Kazem Darabi eine sogenannte G-10-Maßnahme (Telefon- und Briefüberwachung) einzuleiten. Darabi galt als Hisbollah-Mitglied und wurde wenige Tage nach dem Attentat verhaftet. Er soll maßgeblich an der Vorbereitung des Anschlags beteiligt gewesen sein.

Die Bundesverfassungsschützer hatten Darabi schon länger im Visier gehabt, als sie die Beobachtung an Berlin abgaben. Sie stuften ihn als gefährlich ein, eine Einschätzung, der auch Innensenator Heckelmann folgte, denn er befürwortete die G-10-Maßnahme und legte sie der entsprechenden Parlamentskommission zur Zustimmung vor. Als die Telefonüberwachung Ende September starten sollte, war es bereits zu spät. Das Landesamt begründet nun seine achtmonatige Untätigkeit damit, daß es die Zeit gebraucht habe, um einen der iranischen Sprache mächtigen Dolmetscher zu finden.

Die Abgeordneten wollen sich mit dieser Begründung nicht zufriedengeben. Für den FDP-Sicherheitsexperten Rolf-Peter Lange besteht noch „erheblicher Erklärungsbedarf“, und seine Kollegin von Bündnis 90/Grüne, Renate Künast, hat noch „tausend Fragen“. Auch die gestrige Erklärung Heckelmanns, „daß der Innenverwaltung Informationen über den Vorgang D. mit seinen Bezügen zum ,Mykonos‘-Attentat erst nach dem Anschlag bekannt geworden sind“, ist in Künasts Augen schlicht „Quatsch“. Die Abgeordneten interessiert vielmehr, ob dem VS im Vorfeld der damaligen Tagung der Sozialistischen Internationale die von Darabi ausgehende Gefährdung hätte bekannt sein müssen. Sollte sich die Geschichte als wahr erweisen, ist nach Ansicht des SPD-Innenpolitikers Helmut Hildebrand „die Frage nach Konsequenzen zu stellen“. Wen diese treffen können? Da sei, so Künast, alles möglich. dr

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