: Hepp-Prozeß geplatzt Angeklagte bleibt in Haft
■ Prozeß wegen gravierender Ermittlungsmängel bis Herbst ausgesetzt / Trotz brüchiger Anklage Haftverschonung versagt
Berlin. Als auch der Staatsanwalt bekundete, er sei „sprachlos“ über die schlampige Arbeit der Ermittlungsbehörden, war für das Gericht der Weg endgültig vorgezeichnet: Der Prozeß gegen die ehemalige AL-Politikerin Ilona Hepp, der Anstiftung zum Mord vorgeworfen wird, ist voraussichtlich bis zum Herbst unterbrochen, weil wichtiges Beweismaterial bislang nicht untersucht wurde. Dennoch aber, so entschied das Gericht, muß die seit neun Monaten in Untersuchungshaft sitzende Ilona Hepp in Haft bleiben. Nach Ansicht des Gerichts besteht weiterhin ein dringender Tatverdacht und Fluchtgefahr wegen des möglichen hohen Strafmaßes von bis zu fünfzehn Jahren. Die Verteidigung forderte dagegen die sofortige Freilassung, weil Ermittlungsmängel nicht zu Lasten der Angeklagten gehen dürften.
Überraschend hatte der Richter Füllgraf zuvor mitgeteilt, daß die Kripo bislang nur einen Teil eines illegal mitgeschnittenen Telefonats ausgewertet habe. Auf dem Band soll Ilona Hepp angeblich die damalige Freundin ihres Bruders aufgefordert haben, einen „Killer“ zu suchen, um den Bruder umzubringen. Die Verteidigung hatte ihrerseits die Vermutung geäußert, das Band sei manipuliert worden. Wann das Bundeskriminalamt ein Gutachten fertigstellen kann, ist derzeit nicht abzusehen. Weil auch der psychiatrische Gutachter an der weiteren Prozeßteilnahme verhindert ist, blieb dem Gericht nur die vorläufige Aussetzung.
Die Verteidigung warf der Staatsanwaltschaft erneut vor, sie habe einseitig ermittelt, und wies auf die zahlreichen Ungereimtheiten der Anklageschrift hin. Insbesondere die taz-Berichterstattung habe dem Verfahren eine „völlig neue Sicht“ eröffnet. Die taz hatte auf der Grundlage eines Briefs des Bruders berichtet, daß zur selben Zeit, als Ilona Hepp angeblich bereits nach einem Mörder suchte, die ehemalige Prostituierte L. Nicolas Hepp vorschlug, er solle doch zur Lösung seiner Erbschaftsprobleme seine Schwester umbringen lassen. In dem der taz vorliegenden Schreiben bezichtigte Nicolas Hepp die Hauptbelastungszeugin der Anklage außerdem, sie habe ihn mehrfach zu erpressen versucht. So habe Frau L. beispielsweise 150.000 Mark gefordert. Ansonsten werde sie sich der Schwester als Zeugin zur Verfügung stellen. Das Gericht erklärte dagegen bei der Entscheidung zur weiteren Haftdauer, es könne derzeit nicht abschließend bewertet werden, ob die Zeugin L. noch glaubwürdig sei.
Das Gericht ließ bei der Haftfrage auch das vorliegende psychiatrische Gutachten unberücksichtigt. Danach wird Ilona Hepp eine verminderte Schuldfähigkeit zugebilligt – was bei einem Schuldspruch eine deutlich geringere Strafe bedeuten würde. Fast bestätigend für das Urteil des Gutachters wirkte ein erregter Ausbruch der Angeklagten. In teilweise wirrer Rede beschuldigte sie ihren Bruder, er wolle sie „vernichten“ und in den Selbstmord treiben.
Unbeachtet vom Gericht blieb außerdem, daß ein weiterer Zeuge der Anklage zwei Tage vor Beginn der Hauptverhandlung seine Aussage in wesentlichen Teilen geändert hat. Nach der neuen Darstellung habe ihn die Zeugin L. in Pläne eingeweiht, dem Bruder 300.000 Mark abzunehmen. Gerd Nowakowski
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