: Treffpunkt zwischen Ost und West
■ Das 12. Internationale Filmfestival in Istanbul
Der Film „Berlin in Berlin“ des türkischen Regisseurs Sinan Cetin gehörte zu den Hits des diesjährigen Film-Festivals (3. bis 18. April) in Istanbul.
Die tragikomische Geschichte eines Deutschen, der sich in die Frau seines türkischen Kollegen verliebt, war für viele Zuschauer eine erste Begegnung mit der fernen Stadt Berlin und ihren dort lebenden Landsleuten. Deshalb und nicht zuletzt wegen der Besetzung mit dem Fernsehstar Cem Özer war der Film ein Publikumsmagnet.
Sieger des Nationalen Wettbewerbs wurde aber der von Kritikern bevorzugte Film „Zwei Frauen“ (1992) von Yavuz Özkan.
Das Festival am Bosporus, das nun schon zum zwölften Mal stattfand, wird von den Filminteressierten Istanbuls jedesmal geradezu sehnsüchtig erwartet. Die Kinosäle im quirligen Stadtteil Beyoglu mit seinen Studentencafés, Rotlichtgassen und alten Häusern aus der Belle Époque waren fast immer bis auf den letzten Platz gefüllt. Endlich einmal etwas anderes als die amerikanische Massenware. Filme wie „Leolo“, „Die Liebenden von Pont-Neuf“, „Edward II.“ oder „Prosperos Bücher“, die in diesem Jahr auf dem Festivalprogramm standen, blieben ohne dieses Festival für die türkischen Cineasten nur Namen in Filmzeitschriften. Auch amerikanische „Independent Moviemakers“ fanden ihren Weg in die Zehn-Millionen-Metropole, in der es keine Off-Kinos gibt. Hal Hartleys „Simple Men“ und „Trust“ waren für viele Festivalbesucher zwei der beeindruckendsten der insgesamt 135 Filme. Jon Jost, dessen Filme in den USA fast nicht gezeigt werden, unterhielt sich in einem voll besetzten Kinosaal nach Aufführung seines neuen Films „The Bed You Sleep in“, der auf der diesjährigen Berlinale zwiespältig aufgenommen wurde, angeregt mit dem Publikum.
Auch die türkischen Filmemacher profitieren von dem Interesse am Festival. Viele von ihnen bekommen hier erstmals die Chance, ihre Filme in einem Kinosaal zu zeigen. Denn was nicht große Kasse verspricht, wie Kevin Costners „Bodyguard“ (15 Milliarden türkische Lira Einnahmen), findet kaum einen Verleih. Die große Krise des türkischen Kinos scheint aber, dank der zunehmenden Unterstützung, die seit Antritt der Koalition aus Konservativen (Demirels „Partei des rechten Weges“) und Sozialdemokraten aus dem Kulturministerium kommt, vorerst gebannt. Nach wie vor mangelt es aber an technisch qualifizierten Filmemachern, denn in der Türkei werden Filme noch immer ohne Ton gedreht und später nachsynchronisiert.
Bei der Eröffnung des Festivals kam auch die türkische Medienpolitik zur Sprache. Mehr noch als Woody Allens „Ehemänner und Ehefrauen“ genoß das Publikum die Kritik des Bürgermeistes Nurettin Sözens an der Medienpolitik der Regierung, der sich gegen das kurz zuvor ausgesprochene Verbot der rund 700 Privatradios in der Türkei wandte. Nicht nur Intellektuelle wünschen sich eine Presse- und Filmpolitik, die frei ist von Bevormundungen und Verboten.
Die Türkei ist auf dem besten Weg, eine Regionalmacht zwischen Balkan und Kaspischem Meer zu werden. Die massive „brüderliche“ Fürsorge, die Ankara den ehemaligen sowjetischen Turk-Republiken zukommen läßt, wurde auch auf dem Festival sichtbar. „Menschliche Landschaften aus den türkischen Republiken“ hieß eine der Sektionen. Regisseure aus Aserbaidschan, Turkmenistan, Kirgistan und Kasachstan, die unter enormen Schwierigkeiten produzieren, zeigten die triste Realität in ihren Ländern. Die lautesten Klagen kamen von aserischen und kirgisischen Filmemachern. Eldar Kuliyev aus Aserbaidschan berichtete, daß dort im letzten Jahr nur zwei Filme gedreht worden seien, weil alle Kameramänner an die Kriegsfront nach Nagorny Karabach abkommandiert wurden. Talamus Okeyev aus Kirgistan berichtete, daß aufgrund der politischen und ökonomischen Situation derzeit nur ein bis zwei Dokumentarfilme im Jahr entstehen. Hocakuli Narliyev dagegen meinte, daß in seiner Heimat Turkmenistan nach der Unabhängigkeitserklärung mehr Filme realisiert würden. Der Film „Wer bist du?“ von Cihangir Feyziyev aus Usbekistan, die komische Geschichte von zwei Intellektuellen, die auf der Durchreise in einem Dorf Melonen stehlen und auf diese Weise mit seinen Bewohnern zusammenkommen, war einer der brillantesten Filme dieser Sektion.
Das 12. Istanbuler Film-Festival endete am vergangenen Sonntag wegen des plötzliches Todes von Präsident Turgut Özal ohne richtige Feier.
Die Goldene Tulpe im Internationalen Wettbewerb erhielt der Debütfilm „Manila, Paloma Blanca“ (Manila, die weiße Taube; 1992) von Daniele Segre aus Italien. Unter ging daher auch das Urteil eines Jury-Mitglieds, des italienischen Filmkritikers Umberto Rossi, der das Festival als viertwichtigstes in Europa bezeichnete – gleich nach Berlin, Cannes und Venedig. Gönül Kivilcim
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